Bremer Vielfalt, Bremer Volk: Heimat – Kulturschutz – Säuberung

Ein Beitrag in Zusammenarbeit mit der Aktion Zaungast

Am treffsichersten ist Polemik immer dann, wenn der Gegenstand ihrer Kritik nur noch zur Verächtlichmachung taugt, was leider nicht zwangsläufig Kennzeichen seines Verfalls ist. Dass es um diesen Grat zwischen Kritik und Verachtung gegenüber der sich zusehends retraditionalisierenden Bremer Linken recht schmal bestellt ist, wenn selbsterklärte Repräsentanten des bremisch-deutschen Standortkollektivs das Politisieren anfangen, macht Kritik umso notwendiger und zugleich auch schwieriger: die einem manischen Wiederholungszwang gehorchenden und im Wandel stets ähnlichen Gegenstände mit den Waffen der Kritik zu bekämpfen, wenn Besserung nicht in Sicht ist.

Es vollzieht sich hier auf anschauliche Weise, was man als stete Wiederkehr des Immergleichen fassen kann: Deutsche Ideologie gleicht ihrer phrasenhaften Bremischen Repetition nach einer ewig rotierenden Schallplatte aus den 80ern und wird, wenn sich denn genug postnazistische Aktivbürger mobilisieren lassen, unter Einsatz jeglicher subkultureller Folklore und im Wohlgefühl, schon irgendwie das Richtige zu tun, durchs heimelige Viertel auf den Markt der Meinungen getragen. Es zeigt sich, dass alles, was hier außerparlamentarische Praxis sein will, angesichts der Abgründe der Bremer Szene überhaupt nur schiefgehen kann, wenn bloß breite Bündnisse geschmiedet werden. Es ist so weit gekommen, dass der Blick auf die Unterstützerlisten solcher Bremer Bündnisse nicht notwendig ist, um zu wissen, was sich hier immer noch und immer wieder an Volksbanden alles tummelt und im völkischen Empörungsgestus, der in der Sozialfigur des deutschen Wutbürgers seinen adäquaten Ausdruck findet, zusammenschießt.

So auch am 3. Oktober auf der Demo „Refugees Welcome – gegen Rassismus und Abschottungspolitik“. Der Demoaufrufi ist – und hier muss Kritik sorgsam trennen – genau dort richtig, wo er in einem bestimmten Sinne unpolitisch ist, wo er nicht mehr macht, als auf die allermeisten Grausamkeiten deutsch-europäischer Abschottungspolitik hinzuweisen und den kümmerlichen, aber ungleich näher am Einzelnen gebauten bürgerlichen Subjektstatus auch für Flüchtlinge einzuklagen, ohne allerdings darauf zu reflektieren, dass dieser Status im selben Moment, in dem er allen zugänglich wäre, zu existieren aufhörte. Die im Aufruf durchscheinende Einsicht – die wohl auf unmittelbare Erfahrung mit (ehren-)amtlicher Flüchtlingsarbeit und eben nicht auf einen Pseudoaktivismus zurückzuführen ist – , dass in der modernen nationalstaatlich segmentierten Weltgesellschaft ein Rechtsstatus, der nicht auf ständig prekärer Abhängigkeit von staatlicher oder zivilgesellschaftlicher Fürsorge beruht, ganz wesentliches Desiderat von Flüchtlingspolitik sein muss, weist auf ein wesentliches Paradox bürgerlicher Vergesellschaftung hin: Neben dem Status als Citoyen, der in der bürgerlichen Gesellschaft nicht ohne die Idee des Souveräns auskommt, wird das bürgerliche Subjekt zudem über seine Arbeitskraft gesellschaftlich eingepreist – durch den prozessierenden Wert zugerichtet wie inkludiert. Ein unternehmerischer Blick auf Flüchtlinge kann deswegen gar nicht anders als auf ihre Verwertbarkeit schielen. Rassistisch zu nennen ist nicht etwa dieser Beobachtungsmodus, sondern ihre Zwischenlagerung als potentielle Arbeitskraft. Ihrem nach bürgerlichen Maßstäben ganz und gar rechtlosen Status, der ihnen sowohl das Recht in Wert gesetzt zu werden als auch überhaupt das Recht, Geld zu besitzen, beschneidet, und sie in totaler Abhängigkeit von staatlichen und vorstaatlichen Organisationen hält, kann deswegen nur mit der Forderung „Bleiberecht für alle“ widersprochen werden, wobei dieses Recht unter den gegebenen Verhältnissen notwendig ambivalent bleiben muss: „Das Schicksal, das [Geflüchtete] von Staats wegen erleiden müssen, ist jenem am tiefsten Punkt des Sozialrechts verwandt, geschieht in genau dem stetig verkleinerten Abstand, der das Subjekt von seiner Entmündigung und seiner Degradation in einen Gegenstand der Verwaltung trennt. […] Das freie und gleiche Subjekt, wie das Kapital es konstituiert, wie der politische Souverän es exekutiert und wie die Menschenrechte es reflektieren, ist ein notwendig nationales Subjekt. Es ist dem Kapital funktional, wie es dem Souverän loyal ist.“ii

Zur Wutbürgerlichkeit gehört es aber unabdingbar, sich nicht mit einer Zustandsbeschreibung nebst pragmatischem Forderungskatalog zufriedenzugeben. Darüber hinaus folgt sie zwanghaft dem Impuls, das deutsche Krisenlösungsmodell und damit den maximalen Horror bürgerlich-politischer Form als Heilmittel auszugeben.iii Um sich für den Ausnahmezustand zu rüsten, bringt der Wutbürger ausgehend von Scholle und Identität einen flexibel verortbaren Gegensouverän in Stellung, dessen Aufgabe zuvorderst darin bestehen soll, die jetzige Vergesellschaftungsform auf Kosten eines Feindes zu transzendieren, dessen wahnsinniger Darstellung man an der Nasenspitze ansieht, dass er die Karikatur des ewigen Juden werden sollte. Dieser Feind ist einer, der von innen zersetzen, aber dem Volkskörper eigentlich ein äußerer sein soll; als Verkörperung solcher „Barbaren“ (Bremer Friedensforum) waren auf der Demo Rüstungskonzerne, Konzerne allgemein, die EU, die USA, TTIPiv sowie reiche Wohnungseigentümer im Angebot. Im Demonstrationszug konnte man den linken Bremer Straßenzoo in seiner ganzen Pracht bewundern und sich davon überzeugen, dass Wutbürger gar nicht anders können als fortwährend von den USA, dem Westen und irgendwelchen Konzernen zu reden, die die Bremer Scholle bedrohen würden. Wusste schon Marx, dass die Abschottung gegen freien Handel ein zutiefst reaktionäres Anliegen ist, gerinnt auch die analytische Kategorie des ‚Neoliberalismus‘ inzwischen durchweg zur antisemitischen Chiffre, wenn dieser statt einer Epoche kapitaler Vergesellschaftung einen Ausfluss von Machenschaften kennzeichnen soll, gegen die es sich in putativer Notwehr zu formieren gelte. Dies geschieht zuallererst als Geschrei nach Säuberung der Gesellschaft von störenden Elementen oder gleich nach ihrer negativer Aufhebung.

Am klarsten wird dies, wenn versucht wird, einen Gedanken zu den Ursachen des Leides zu fassen, also beispielsweise wie behauptet, Fluchtursachen in den Blick zu nehmen. In seinem unreflektierten Zorn wirft der massenhaft Vereinzelte seine geopolitische Meinung über Volkes Feinde aus und setzt zu deren Beseitigung „in unbegriffener Routine [auf die] immergleichen Appellationen an die faschistische Potenz seines Staates“v. Es wundert nicht, dass dies in Bremen auf besonders fruchtbaren Boden fällt, wo sich ganze Viertel gegen zugezogene ‚Spießer‘ zu Volksfesten mobilisieren lassen, wenn diese die Frechheit besitzen, auf die Einhaltung der Rechtsnormen bezüglich ihrer Nachtruhe zu beharren. Die Kulturschutzgemeinschaft des Viertels setzt sich in großen Teilen aus jener linksliberalen Öffentlichkeit zusammen, deren virulente „Sehnsucht nach dem Weltsouverän“ (G.Scheit) sich in Gestalt des Völkerrechts gegen die USA als hegemonialen Staat und gegen Israel richtet. Demgegenüber wettert der antinationale Antiimperialist vornehmlich gegen den Westen in Gänze und macht, vermeintlich klüger, aber über infantile Parolen wie „Staat Nation Kapital Scheiße“ nicht hinauskommend, eine allgemein-imperiale kapitalistische Logik verantwortlich, die sich trefflich auch als Feind im eigenen Land identifizieren lässt. War der antiimperialistische Gedankengang, die beherrschende Stellung der Industrieländer auf dem Weltmarkt allein für die desolate Lage vieler insbesondere auch afrikanischer Staaten verantwortlich zu machen, zwar immer schon grob vereinfachend, stand er aber tendenziell im Widerspruch zur zwanghaften Personalisierung, wie er nicht nur dem Aufruf zur Demo am 3. Oktober eigen ist. In vollkommener Ignoranz gegenüber den Zuständen vor Ort, die den Menschen das Leben zur Hölle machen, wird auch angesichts der Krise in Syrien mit denselben Kategorien einfach weitergemacht. Ein antifaschistischer Minimalkonsens müsste lauten: Wem zu Assad, dem iranischen Regime und dem Djihadismus sowie dem Islam insgesamt nichts einfällt, der sollte von Fluchtursachen schweigen.

Jeder kann und muss wissen, dass Islamismus und arabisch-islamischer Despotismus notwendig zum Massenmord treiben, was nicht nur in Syrien in blanker Barbarei sich vollzieht, aber nicht einmal ein einziger Satz dazu schafft es in den Aufruftext, in dem stattdessen der Gegenstand mit Phrasen wie ‚Krieg und Gewalt‘ zum Verschwinden gebracht wird. Hier bleibt nur die begründete Vermutung, dass ein Hinweis auf die reale islamische Barbarei nicht ohne antiwestliche Verschwörungstheorie ausgekommen wäre, dass hier, wie man in Bremen so schön sagt, „im Bündnis kein Konsens erzielt werden konnte“. Übrig blieben im Aufruf zur Schande aller Unterzeichner zwei Sätze, die dies vornehm andeutet, ohne sich die Finger schmutzig zu machen: „Viele dieser Fluchtgründe haben hier ihren Ursprung. Sei es die Zerstörung von Lebensgrundlagen durch die EU und ihre Konzerne oder sei es durch Waffenexporte, auch aus der Rüstungshochburg Bremen.“ Weitere Ausführungen kann man bei den Genossen von Attac und vom Friedensforum nachlesen.

Vom Islamismus, geschweige denn vom politischen Islam darf in Bremen unter Linken keine Rede sein, ohne den eigenen Kollektivnenner – Heimatschutz als Kulturschutz plus Säuberung – gehörig ins Wanken zu bringen. Das weist einmal mehr darauf hin, dass es angesichts der offenbar jetzt schon zahlreichen Bremischen islamischen Freischärler und ihrer Nachfolger in spe notwendig wäre, von der antifaschistischen Szene zu retten, was noch zu retten ist. Dies kann angesichts der vorliegenden ideologischen Symptomatik in Bezug auf die allermeisten Gruppen nur heißen, auf die Emanzipation der linken Polit-Subjekte zu dringen. Sinnvoll und daher unmöglich zugleich wäre das nur außerhalb ihrer festgefahrenen Strukturen, die den Wahn selbst nur spiegeln und die sich notwendigerweise darin gegenseitig überbieten, den größten Schund zu produzieren. Der unter den gegebenen Voraussetzungen bestmögliche Zustand ist deswegen einer, in dem die flexibilisierten Polit-Monaden möglichst weit davon entfernt sind, irgendetwas real verschlimmern zu können – denn wo der Wutbürger mobil macht, naht Unheil. Jeder, der sich einen Rest Ehrlichkeit noch bewahrt hat, weiß deswegen, dass das geistige und moralische Elend, das sich dieser Tage als alternativer Staat in Stellung bringt, gegenüber der einzigen Person, der man tatsächlich abnehmen mag, deutsche Ideologin in erster Linie nur als ‚Charaktermaske‘ zu sein, wahrlich nur noch schlimmer wäre.

Denn neben den linken Aktivisten hegt auch der mehr oder minder unpolitische, das heißt demobilisierte, besorgte Bürger seine Verschwörungstheorien, in denen immer von Strippenziehern und staatsbürgerlicher Souveränität als Kollektiv-Identität die Rede ist. Angela Merkels ‚asymmetrischer Demobilisierung‘ wäre zu danken, dass der Durchschnitts-Deutsche sein Dasein derzeit weitgehend bloß als ‚Eigentumsbestie‘ (J. Most) fristet. Die demobilisierte postnazistische Volksgemeinschaft bleibt deswegen in jedem Fall der mobilisierten vorzuziehen, was man sich leicht dadurch klar machen kann, dass die immer mitteilungsbedürftiger werdenden Deutschen zusehends virtuelle Diskussionsplattformen ‚liberaler‘ Ausrichtung dem Youtube-Kommentarbereich proaktiv anähneln. Ohne die Tendenz, die üblichen Verdächtigen als Schuldige dingfest zu machen und diese pogromaffine Projektion als ‚Meinung‘ zu verkaufen, geht das nur selten vonstatten.

In Großstädten manch anderer Länder mag man so etwas wie ein liberales, verfassungspatriotisches Bürgertum ausmachen, das sich in der Regel nur im Kleinen politisch zeigt und die verbindenden Merkmale der Gesellschaft in einer Rechtsgemeinschaft erblickt, deren vornehmster Ausdruck die gemeinsame Verfassung ist, prinzipiell also jedem offen steht, der willens ist diese mit dem Erhalt der Staatsbürgerschaft anzuerkennen. In Deutschland hingegen geht der Liebe zum Grundgesetz auch bei den liberaleren Fraktionen immer schon eine Vorstellung von Verbundenheit durch gemeinsame Abstammung und kulturelle Werte voraus. Dementsprechend wird parteiübergreifend kein Widerspruch zwischen Willkommenskultur und gleichzeitiger Abschaffung des Asylrechtes ausgemacht und die autokratische „Wir schaffen das!“-Politik der Kanzlerin findet bei wachsenden Bevölkerungsteilen ihre erwartbare Entsprechung in antisemitischer Paranoia gegen Presse und Politik und der Bereitschaft, den Hass gegen die heimlich beneidete Fremdkultur zusehends durch Brandschatzung auszuagieren. Die „antagonistische Kooperation“vi zwischen demobilisierter Mehrheit und links-aktionistischer Minderheit verweist dabei auf ein spezifisch deutsches Moment. Die antiautoritäre Minderheit, die ihren Aktivismus als Ausdruck moralischer Überlegenheit betrachtet, bildet die exekutierende Artikulationsform der Mehrheit, sie wird von dieser dafür geächtet und leitet sich daraus erneut einen moralischen Mehrwert ab. In der „Flüchtlingskrise“ beugt sich die Mehrheit nicht widerstrebend der Minderheit, sondern vereinnahmt diese. Noch zieht der weitgehend demobilisierte Volkskörper ‚Mitte‘ Angela Merkel dabei zum Glück klassischeren Tribunen wie Sigmar Gabriel, Jürgen Trittin, Gregor Gysi etc. vor, denn der daubermobilisierte linke Politaktivist verrät allein dadurch, wie Pseudo-Aktivismus aufs innigste mit der äußeren Erscheinung verschmelzen kann – in Bremen besonders deutlich zu beobachten – was auch von links blüht, wenn der mitunter doch noch recht flexible Meinungs-Eklektizismus zum antiimperialistischen Glaubenssatz erstarrt.

Wer angesichts dieser deutschen Gemengelage Selfies mit Geflüchteten, die von nichts mehr künden als vom ‚postmodernen‘ Subjektverfall, schon für die ‚Wiedergutwerdung der Deutschen‘ (E. Geisel) hält, verfehlt deswegen den Gegenstand der Kritik.vii Das Problem sind der Antiimperialismus und der Kulturrelativismus der Friedensbewegten, die sich weit in den gesellschaftlichen Mainstream hinein zu einer handfesten Islamophilie ausgewachsen haben. Der gegen PEGIDA und andere erhobene Vorwurf der Islamophobie bildet dabei nur die Kehrseite der Medaille, vereint ist man im Islamneidviii und damit gerade in der Abwehr der Islamkritik. Diese wird als Rassismus gebrandmarkt, obwohl doch der eigene Hang zum Kulturschutz ganzer Völker und die Beflissenheit, mit der noch jeder religiöse Spleen sozialpädagogisch umsorgt wird, nichts weiter ist als Projektion. Sie zielt links wie rechts auf die Herstellung eines Kollektivs gegen alles Westliche und hat deswegen viel vom Antimodernismus islamischer Djihadisten und ihrer Konstruktion der Glaubensgemeinschaft: Heimat- und Kulturschutz werden mit einer Imago vom volksfeindlichen Zersetzer verknüpft. Dies ist das geistige Elend. Das moralische Elend lässt sich insbesondere an der Neidesoterik vom revolutionären Subjekt festmachen, wie sie vielen Antinationalen zueigen ist. In ihrem Windmühlenkampf gegen Staat, Nation und Kapital – der ja problemlos mit einer Pseudo-Kritik des politischen Islam einhergehen kann – treiben sie linken Zynismus auf die Spitze. Bei der BA und dem UmsGanze-Bündnis heißt es euphorisch: „Tagtäglich kommen Tausende Menschen nach Deutschland – trotz Frontex, militarisierten Grenzen und verschärftem Asylrecht. Das ist erstmal ein Grund zum Feiern. Auch cool: Eine überraschend große Anzahl von Menschen engagiert sich in Deutschland momentan aktiv in der Solidarität mit Geflüchteten.ix Ähnlich wie in der braven Thüringschen Heimat Bodo Ramelow die Ankunft zahlreicher Geflüchteter – die er mit einem ‚Inshallah‘, dem islamischen ’so Gott will‘, zu begrüßen wusste – der schönste Tag seines Lebens war,x wird hier grenzenlos frohlockend der leidvolle Fluchtanlass zum widerständigen Moment gegen das attraktivere westliche Vergesellschaftungsmodell verklärt. Dabei gelte es, „den politisch Verantwortlichen bundesweit das Leben so schwer wie möglich zu machen. Die Mauern der Festung Europa wackeln, helfen wir mit, sie einzureißen.“xi Deutlich wird daraus nur, wie wenig es solchen Aktivisten um das Leid der Flüchtlinge geht, die Tod und Elend oft unter erheblichem Risiko gerade entflohen sind und deren Anliegen in Deutschland vermutlich darin besteht, zumindest ein kleines Glück zu finden, ein Minimum an Freiheit zu genießen und zunächst einmal ein wenig Deutsch zu lernen, eine bezahlte Arbeit zu finden. Ihr Interesse, Deutschland im Sinne linker Politclowns umzugestalten, dürfte erfreulich gering sein, auch wenn man sich bewusst machen muss, dass die Aufgabe, den Flüchtlingen eine Teilhabe am Leben zu ermöglichen, erheblichen staatlichen Aufwand dringend notwendig machte. Es bleibt nur zu hoffen, dass dieser Widerstandsgestus nichts als Pseudo-Aktivität bleibt, denn wenn Geflüchtete sich auf irgendjemanden nicht verlassen sollten, dann auf eine Linke, die beständig von all dem schweigt, gegen das die kapitalistische Subjektzurichtung der entwickelten Länder noch das Bessere ist. Die antirassistische Ideologie, die in weiten Teilen, und bei manch einem sicherlich zum Besseren, in Volkes Mitte eingesickert ist und beim Establishment mittlerweile zum guten Ton gehört, leistet so ihren ganz eigenen Beitrag zur kulturalisierten Konservierung der Verhältnisse. Zuvorderst zum Elend der Flüchtlinge, denen in diesem Zoo der Kulturen die Rolle derer bleibt, die staatlicherseits je nach politischer Wetterlage entweder geschlagen oder gestreichelt und von Linken für ihre praktischen Feierabend- und Ferienfeldzüge gegen Volksschädlinge instrumentalisiert werden. Diese politische Praxis weiß sich sogar noch ohne Gefühl von Ohnmacht dumm zu machen, was darauf hinweist, dass es sich beim Beschweigen von Frauenunterdrückung und Barbarei nicht einfach um falsche Rücksichtnahme, sondern um praktische Entmündigung aus kulturalistischem und antiimperialistischem Vorsatz handelt.

Wo in der Flüchtlingshilfe die Grenze zwischen Pseudo-Aktivitätxii und hilfreicher privater Unterstützung zu ziehen wäre, die allein schon deshalb, weil Geflüchtete dann niemandem dankbar sein bräuchten, die staatliche Hilfe nicht ersetzen darf, kann freilich von hier aus nicht entschieden werden. Wenn auch die Bildzeitung die Willkommenskultur hochleben lässt, womit sie sich dem Hass all derer sicher sein kann, die sich um ihr revolutionäres Subjekt betrogen sehen, zeigt sich einmal mehr, dass das antirassistische und entweder offen (Bremer Refugee Bündnis) oder in neidvoller Abspaltung (Pegida) islamophile Deutschland nicht mit antinationaler Phrase abzuspeisen ist. Es bleibt dabei: Ein jeder, der Stolz auf sein Land ist, ist ein Dummkopf und eine potenziell tödliche Gefahr, dem deswegen hier und da vorsorglich Prügel anzudrohen nicht ganz falsch sein kann. Aber als wäre die ‚ethnopluralistische‘ Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdkultur, bei der es keine Rolle spielt, ob das Fremde als Wunsch- oder Feindbild beneidet wird, nicht schon schlimm genug: Der ganz große Aufklärungsverrat wird von einer globalen Linken organisiert, die nichts lieber tut, als sich aus dem jeweils heimeligen Kollektiv heraus einen Juden zu basteln, der für das Elend verantwortlich gemacht wird, das man selbst tagtäglich aktiv reproduziert.

iiInitiative Sozialistisches Forum (1997): Vom Mensch zum Ding, in: Dies. (2001): Flugschriften gegen Deutschland und andere Scheußlichkeiten, Freiburg: ça ira, S. 101–107, hier: S. 104 f.

iiiVgl. Bruhn, Joachim (2011): Echtzeit des Kapitals, Gewalt des Souveräns . Deutschlands Zukunft in der Krise, in: Bahamas, Nr. 63 (Winter 2011/2012), S. 67 –78, online: http://www.ca-ira.net/isf/beitraege/bruhn-echtzeit.gewalt.html

ivWo das bloße Abkürzungsbild allein schon allen Wahn in sich trägt. Beide Beiträge der Zwischenkundgebung von Attac und vom Friedensforum online: http://www.bremerfriedensforum.de/pdf/Fluechtlingsdemo_15-10-2015.pdf.

vi Nachtmann, Clemens: Die demokratisierte Volksgemeinschaft als Karneval der Kulturen. Von der

Verallgemeinerung des Postnazismus und dem Altern antideutscher Kritik, in Grigat, Stephan (2012): Postnazismus

revisited. Das Nachleben des Nationalsozialismus im 21. Jahrhundert, Freiburg: ça ira, S.53

ixhttp://basisgruppe-antifa.org/wp/2015/10/03/antirassismus-geht-nur-gegen-deutschland/

xihttp://basisgruppe-antifa.org/wp/2015/10/03/antirassismus-geht-nur-gegen-deutschland/

xii„Pseudo-Aktivität ist generell der Versuch, inmitten einer durch und durch vermittelten und verhärteten Gesellschaft sich Enklaven der Unmittelbarkeit zu retten. Rationalisiert wird das damit, die kleine Veränderung sei eine Etappe auf dem langen Weg zu der des Ganzen. Das fatale Modell von Pseudo-Aktivität ist das »Do it yourself«, Mach es selber: Tätigkeiten, die, was längst mit den Mitteln der industriellen Produktion besser geleistet werden kann, nur um in den unfreien, in ihrer Spontaneität gelähmten Einzelnen die Zuversicht zu erwecken, auf sie käme es an.“ Adorno, T. W. (2003): Resignation in: Ders.: Gesammelte Schriften 10.2, Kulturkritik und Gesellschaft II, S. 794–799.

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Solidarität als linke Männerfantasie. Eine Bremer Regression

Der Anlass für diesen Text ist nicht der Gegenstand der Betrachtung, er soll aber dennoch geschildert werden. Am 19. April 2015, nach dem Spiel Werder Bremen gegen den Hamburger SV, kam es zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Fußballfans. Dies wäre angesichts der Rivalität der beiden Vereine nicht weiter bemerkenswert, doch in diesem Fall war es eine Auseinandersetzung innerhalb der Bremer Fanszene, zwischen Nazi-Hools und antifaschistischen Ultras. In Bremen existiert eine kleine, aber schlagkräftige Hool-Szene, Namen wie „Standarte Bremen“ oder „Kategorie C“ sind überregional bekannt.

Nachdem die organisierte Naziszene, wie auch in den meisten anderen Städten Westdeutschlands, seit den 1990er Jahren in Bremen magere Jahre zu verzeichnen hatte, kam es im Zuge der „Hooligans gegen Salafisten“, für die „Kategorie C“ die Hymne schrieben, offenbar zu einem kleinen Revival. Am Ende der letzten Saison traten Nazi-Hools wieder öfter an Spieltagen in der Umgebung des Weserstadions auf, um Anspruch auf längst verlorenen Einfluss in der Fanszene anzumelden.

So sammelten sie sich auch bei jenem Spiel in durchaus prominenter Aufstellung vor einer Kneipe in Stadionnähe, wo es später zu der Auseinandersetzung mit den linken Ultras kam. Im Nachgang wurde ein Ultra namens Valentin verhaftet, die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung vor, er soll einen Hooligan mit einem Blumenkübel beworfen haben. Wie es dazu kam, ist ausdrücklich nicht Bestandteil dieses Textes, dazu findet sich allerhand Material an anderer Stelle. Uns geht es darum, eine Leerstelle zu füllen, die für Bremen leider typisch ist: Das nahezu vollständige Ausbleiben jedweder Kritik an der linken Querfront, die sich in der Folge unter dem Motto „Free Valentin“ bildete.

So sehr man gewillt und bereit ist, die linken Ultras darin zu unterstützen, den fortwährenden Unwillen der Bremer Politik und Justiz anzugreifen, wirksam gegen Nazi-Hools vorzugehen, diese an Spieltagen vom Stadion fernzuhalten (die Mittel dazu sind längst vorhanden) und, sollten sie doch aufkreuzen oder Fan-Partys überfallen, sie so lange wie irgend möglich wegzusperren, so sehr muss man sich doch wundern, mit welchen anti-aufklärerischen oder im Szeneduktus ‚unemanzipatorischen‘ Bündnispartnern diese teilweise richtigen Forderungen (vgl. den Demoaufruf verschiedener Ultra-Gruppen) auf die Straße gebracht werden.

Zu diesen Forderungen gehört sicherlich auch, dass Richter bei der Bemessung der Schuld des Angeklagten, der Hand an Nazischläger legt (bzw. Blumenkübel auf diese schmeißt), den Einsatz gegen Nazis und deren Gewalttätigkeit sowie vorherige Nazi-Überfälle strafmildernd berücksichtigen sollten. Es ist schlicht nicht einzusehen, warum an einem jungen Menschen ein Exempel statuiert werden sollte, während überregional bekannte Nazigrößen straffrei ausgehen. Gegen den Slogan „Free Valentin“ ist also nichts einzuwenden. Allein geben praktischer Gestus zentral beteiligter Akteure und erst recht das, was wohl ihre Theorie sein soll, mal wieder in aller Deutlichkeit preis, wie erbärmlich es um große Teile der linken Szene in Bremen bestellt ist. Das geistige und moralische Elend, die Unfähigkeit zum Denken, die Verrohung drückt sich nicht zuletzt in einer rudimentären Sprache aus, die, falls notwendig, im Original zitiert wird, ohne Korrektur und ohne auf jeden einzelnen Fehler und missglückten Ausdruck hämisch hinzuweisen.

Hatte man vielleicht, jedenfalls bis zum letzten Sommer (vgl. ABGWB 2014), noch die Hoffnung, dass die Bremer Linke rund um die Elendsgestalten der „FDJ“, die Senioren vom Bremer Friedensforum und ein paar Anarchisten, die es ja irgendwie immer gibt, einfach nur wie die ganze Stadt und insbesondere das Viertel irgendwo in den 80ern hängengeblieben ist – was gewiss mit der dorfgemeinschaftlichen Folklore zusammenhängt, die einem hier allenthalben begegnet – muss man nun doch reichlich angewidert zur Kenntnis nehmen, dass dieser Wahn, den man vielleicht als Exotik, wie sie rückständigen Volksstämmen eigen ist, abtun wollte, System zu haben scheint. Die mühevolle Aufklärungsarbeit, die sich an der Ideologie der bekloppten bis nur peinlichen linken Grüppchen mittlerweile mancherorts doch recht erfolgreich abgearbeitet hat, ist in Bremen in Gestalt von Zusammenschlüssen wie der ANG und der Redaktion Extrablatt oder der Associazione delle Talpe durchaus angekommen, wobei deren letzte kritische Intervention Jahre zurückliegt bzw. auf solche gänzlich verzichtet wird.

Die Auswirkungen dieser unterbliebenen Szenespaltung lassen sich immer wieder beobachten: Wo der Antinationalismus als besonders fortschrittlich gilt, wo man also dort steht, wo die Rätekommunisten vor 100 Jahren bereits angekommen waren und man damit theoretisch hinter dem Nationalsozialismus und insbesondere einem dem Gegenstand auch nur einigermaßen gerecht werdenden Begriff des Antisemitismus zurückbleibt, da lässt sich gegen eine antisemitische Großdemonstration, die auch viele Linke dazu nutzten, ihren Israelhass auf die Straße zu tragen, nicht einmal ein Konsens über das Tragen von Nationalfahnen, d.h. der des jüdischen Staates, herstellen.

Dennoch durfte man annehmen, dass zumindest im bescheidenen Ausmaß und in Teilen der Szene Fortschritte gemacht wurden. Es ist keine zwei Jahre her, da veranstaltete die Ultra-Gruppe „Caillera“, die heute wie die Kollegen von „Infamous Youth“ nahezu jeden Unfug, auf dem „Free Valentin“ draufsteht, bedenkenlos unterschreibt, eine bemerkenswerte Veranstaltungsreihe unter dem Titel „Fußballfans gegen Antisemitismus“. In diesem Rahmen war z.B. eine wunderbare Filmvorführung mit einleitendem Vortrag von Martin Schmitt aus Münster möglich. Dass dies Episode bleiben musste, konnte man nach der folgenden, leider sehr ärgerlichen Vortragsveranstaltung mit Alex Feuerherdt und Enno Wöhler zum Kernthema „Fußball und Antisemitismus“ erahnen, auf der sich die Befürchtung, es ginge auch darum, sich als aufgeklärte und damit bessere Fußballfans zu beweihräuchern, leider zumindest teilweise bestätigte und kritische Reflexionen auf Fantum allgemein unterlassen und abgebügelt wurden. Wie das funktioniert, zeigte der damalige Ankündigungstext beispielhaft, der die rivalisierenden Fans von Hannover 96 als Negativbeispiel ins Visier nimmt, um die eigene moralische Makellosigkeit zu feiern: Im März 2006 hinterließen Fussballfans aus Hannover bei ihrem Besuch in Bremen eindeutige Aufkleber: Sie hatten das Wappen des SV Werder zu einem orangefarbenen Davidstern verfremdet“ (Caillera, 2013). Wie ein antifaschistischer und besonders moralischer Gestus als Rechtertigung für Schweinereien nutzbar gemacht wird, konnte man im Nachgang eines brutalen Überfalls Bremer Fans, unter denen offenbar einige Ultras mit Stadionverbot waren (Radio Bremen, 2015), erkennen: Aus Szenekreisen gab es zwar keine offiziellen Stellungnahmen oder gar Distanzierungen, aber unter der Hand, zumindest aus dem Umfeld der vermeintlich fortschrittlichen Gruppen, kritische Töne, die aber ohne zwei Hinweise nicht auskamen: Erstens handele es sich bei „den Augsburgern“ um „ziemliche Ottos“, was im Szenejargon bedeutet, dass man dort nicht hinreichend links und antifaschistisch sei, auch wenn sich ein konkreter Nazi-Vorwurf nicht rechtfertigen lasse. Und zweitens müssten sich die sogenannten szenekundigen Beamten nicht wundern, wenn man ihnen die ständige Repression mal zurückzahle.

Trotz dieser akuten Warnzeichen sind wir überrascht vom Ausmaß der Regression, die sich im Zuge der Verhaftung Valentins abspielt. Zentral ist dabei die Frage, warum jede Kritik unterbleibt, wo überhaupt noch „emanzipatorische“ Kräfte sind, die sich dem Verfall widersetzen. Es ist zwar vergebliche Liebesmüh und man möchte die Bremer Szene eigentlich sich selbst überlassen und kein Wort über männerbündische Gemeinschaften verlieren, die sich etwa „Revolutionärer Aufbau Bremen“ (RAB) nennen, wo der Name schon alle nur denkbare Dämlichkeit ausplaudert, der man sich als Linker überhaupt befleißigen kann. Aber in Anbetracht des vollständigen Reflexionsausfalls sieht sich das Aktionsbündnis gegen Wutbürger genötigt, sich mit den ideologischen Ausflüssen derer auseinanderzusetzen, die sich wohl für die antifaschistischen Vorzeigetruppen der Stadt halten, um diese endgültig zu blamieren. Denn das breite Free-Valentin-Bündnis wird maßgeblich von den dümmsten linken Gruppen getragen, die man sich überhaupt nur denken kann. War z. B. schon lange klar, dass die im „UmsGanze“-Bündnis organisierte „Basisgruppe Antifaschismus“ (BA) für jede Infantilität zu haben ist, wie ein kurzer Blick auf deren Output zeigt (besonders „empfehlenswert“ ist das geteilte „Mobi-Video“ zu den „Blockupy“-Protesten, in dem ein paar Kids in Papas Büroraum zu einem Haftbefehl-Beat einen Computer kaputtschlagen und das irgendwie für revolutionär halten oder das Statement zur Bremer Landtagswahl, in dem die Nichtbeteiligung vieler Bremer an den Landtagswahlen als Zeichen des bevorstehenden Volksaufstands gedeutet wird), und sicherlich zu den peinlicheren dort organisierten Gruppen gehört, muss man nun zur Kenntnis nehmen, dass Antinationalismus und eine infantile Form der „Staatskritik“ genau das ist, was alle beteiligten Gruppen als zentrales ideologisches Moment und jenseits aller vermeintlich unwichtigen Differenzen eint.

Wenn, wie die BA vermutet, die Bremer Szene „schwach aufgestellt“ (BA 2015a) ist, möchte man jedenfalls den Erweckungsruf, der am 15.8.2015 von beiden genannten linken Gruppen auf der Free-Valentin-Demo geprobt wurde, nicht fruchten sehen, ja möchte man überhaupt die soldatische Brüderlichkeit, die von den RAB-Antifaschisten ausgeht, die in erster Linie Schläger sein wollen, (vgl. RAB 15.8.15a) besser nicht noch einmal in dieser ideologisch abgründigen und bis in die unmittelbare Präsenz hinein zutiefst maskulinen Vorzivilisiertheit ertragen müssen. Hier schlägt das, was man bei der BA nicht mehr nur peinlich, sondern dumm nennen muss, völlig ins Regressive um. So lohnt denn ein genauerer Blick auf zentrale Schlagworte, mit deren Hilfe man meint, Anlass, Form und Ziel des antifaschistischen Tuns zu reflektieren, um zu sehen, wie begriffsleer es dabei zumeist zugeht.

Da wäre zunächst das Begriffspaar ‚Theorie und Praxis‘, über das man immer reden muss, wenn man die Linke kritisiert und einem vorgehalten wird, man müsse nicht alles zerreden, sondern die eigenen Reihen geschlossen halten. Im besten Fall heißt es noch, es seien beide wichtig, der „Theoretiker“ und der „Mann fürs Grobe“. Und auch von ‚antideutscher‘ Seite wird diese Unterscheidung nicht selten gern verschlagwortend benutzt, um entweder einem Vorrang der Theorie das Wort zu reden oder beides irgendwie vermitteln zu wollen. Das Argument, das insofern richtig ist, als man schlechterdings kein politisches Handeln befürworten mag, das sich nicht vernünftig legitimiert, greift aber ebenso zu kurz, wie der Drang, möglichst viel vom Althergebrachten retten zu wollen. Mag man der Verschlagwortung dabei zugute halten, dass eine Intervention, die nicht polemisch, sondern ‚konstruktiv‘ daherkommen möchte, sich auch nach Jahrhunderten der folgenlosen Theorieproduktion immer noch in die Plattheit linker „Diskurse“ einfügen muss, bleibt trotzdem nur die Schlussfolgerung, dass das mit Kritik nichts, mit Anpassung an eine Szene aber alles zu tun hat, die nichts hören will, was ihrem als „Praxis“ euphemisierten Herumgerödel einen Hauch Verstand entgegensetzt. Eine Linke, die nichts tut als den berühmten Satz aus dem Aphorismus mit dem Titel ‚Abweichung‘ der Minima Moralia zu reproduzieren, fällt als „Waffe der Kritik“ aus: „Während kein Gedanke aus der Kritik der politischen Ökonomie bei den Anhängern der linken Plattform mehr feststeht; während ihre Zeitungen ahnungslos täglich Thesen ausposaunen, die allen Revisionismus übertrumpfen, aber gar nichts bedeuten und morgen auf Abruf durch die umgekehrten ersetzt werden können, zeigen die Ohren der Linientreuen musikalische Schärfe, sobald es sich um die leiseste Respektlosigkeit gegen die der Theorie entäußerten Parolen handelt.“ (Adorno, 2003d)

Doch liegt es in den Verhältnissen selbst begründet, dass die gesamtgesellschaftliche Vermitteltheit der kapitalistischen Funktionslogik der Menschheit eben nicht einfach ausgetrieben werden kann, um zu einer „vernünftige[n] Einrichtung der Gesamtgesellschaft als Menschheit“ (Adorno 2003b: 618) zu gelangen. Schon allein dies auf den Begriff zu bringen, ist bereits ohne irgendwelche Bündnispolitik und ohne „Sichtvermerk“ (Adorno 2003c: 146) eine Form der Praxis. Wie auch umgekehrt die dümmste Theorie nicht einfach keine Theorie ist, sondern nur eben eine schlechte, die es als Ideologie zu kritisieren gilt. Es geht also um richtiges Handeln, um eine Entfaltung der Kritik und nicht um eine „Einheit von Praxis und Theorie, [… die] diese zur Dienerin erniedrigt; das an ihr beseitigt, was sie in jener Einheit hätte leisten sollen“ (Adorno 2003c: 146 f.). Theorie ist immer auch Praxis, denn ohne eine Einsicht in das, was falsch läuft, und durch diese Einsicht selbst, kann schlechterdings auch kein politisches Handeln erfolgen, das dieser Theorie so weit möglich gerecht wird. Hier zu trennen tut nur einmal mehr so, als wäre das Brüllen nach einer Antifa, die praktisch werden müsse – als wenn sie das nicht schon meistens wäre und damit Teil des Problems ist – das natürliche Pendant zu denjenigen, die da im „Grand Hotel Abgrund“ über die Verhältnisse philosophieren: Hier der Tüchtige, dort der Intellektuelle.

Interessant wäre die historische Vergeschlechtlichung dieser Zuweisungen unter die Lupe zu nehmen, aber eine solche Betrachtung ist in linken Zusammenhängen, in denen Männern strenge Verhaltensregeln auferlegt werden, damit die wenigen Frauen sich nicht „komisch fühlen“, verpönt. Denn auch wenn man Frauen gern eine Nische in der Propagandakompanie, bei der Organisation von Veranstaltungen oder in der Volxküche zugesteht, bleibt die theoretische Arbeit weitgehend Männersache und wenn es handgreiflich wird, schickt man die Damen aufs Frauendeck. So ist auch die ca. alle halbe Jahre im Antifaplenum verwundert vorgetragene Frage, wieso denn in der Szene immer jene Charaktere dominieren, die man sehr richtig als männlich identifiziert, leicht zu beantworten: Dies ist bereits in der ganzen männerbündischen, existentialistisch aufgeladenen Revolutionsromantik und der damit einhergehenden Kampf-Ästhetik der Partisanen angelegt, die den zentralen Mythos antifaschistischer ‚Praxis‘ bilden. Geht man davon aus, dass männliche Gewaltneigung Ausdruck einer misslungenen Sozialisation und insbesondere der Unfähigkeit, libidinöse Objektbeziehungen herzustellen, ist, dann verwundert nicht, dass dies nicht nur prekarisierte Freitaler, sondern, wenn vielleicht auch im geringeren Maße, auch Bremer Studenten betrifft. Es drängt sich der Verdacht auf, dass unter Antifaschisten und linken Ultras nicht wenige sind, die primär nach Orientierung, Gruppenzusammenhalt suchen und für das Ausleben ihrer Männerfantasien Gründe benötigen – und das ist exakt die Rolle, die sie der Theorie zugestehen. So wird klar, dass eine kritische Reflexion auf eigenes Handeln nicht nur nicht erwünscht ist, sondern als Verrat und Zersetzung begriffen werden muss.

Wenn das Thema zur Sprache kommt, dann nur als platte Szene-Diskussion, als pseudo-selbstkritisches Gerede über die ‚Gewaltfrage‘. Bei deren ritualisierter Beantwortung könnte man eher meinen, es ginge darum, lädierten Nazis, die außer der Gegengewalt keine Sprache verstehen, eine Träne nachzuweinen, anstatt sich zu bemühen, revolutionsliturgische „Investition[en] sinnloser Tätigkeit“, die „mit den trugvollen Zeichen des Ernstes und der Bedeutung“ (Adorno 2003a: 79) aufgeladen sind, ihrer – im besten Fall – Nutzlosigkeit und Tendenz zur Regressivität zu überführen. Als wäre zum Beispiel größtmöglich informierte und informierende Aufklärungsarbeit über die Nazi-Szene und das, was sonst noch alles deutsche Ideologie zu nennen ist, nicht schon sehr probate Antifa-Arbeit, speziell dort, wo keine nazistischen Schlägertrupps regelmäßig durch die Straßen ziehen. Doch damit mögen sich manche, da es dabei mehr um Besonnenheit und Akribie als um Kämpfen ginge, nicht zufrieden geben – ganz unabhängig davon, ob es unmittelbar erforderlich ist oder nicht. Dies wird deutlich, wenn das, was unumkehrbar 1933 und 1992 nicht verhindert wurde, identitär und zwanghaft im Jetzt durch die eigene Faust verhindert werden soll; die historische Analogie ersetzt die historische Einordnung. Bei einer antifaschistischen Strafexpedition nach Heidenau beispielsweise kann es nur um zweierlei gehen, nämlich um Prügel für Nazis (das ist nie verkehrt) und darum, den Staat als eine Instanz zu entlarven, die auch (und gerade) linke Gewalt unterbindet, was aber im Begriff des staatlichen Gewaltmonopols bereits angelegt ist und folglich keines Beweises bedarf. Angesichts einer solchen Einsicht, die nie eine war – was die BA freilich nicht daran hindert, es fortwährend und in größtmöglicher Plattheit als eine solche zu verkaufen (vgl. BA 15.8.15) – kann man sich des Gefühls nicht erwehren, dass manch einer wohl beleidigt ist, wenn der Staat dann doch, wenn auch wieder mal zu spät, seinen Pflichten nachkommt. Ganz so als ginge es nicht in erster Linie um die Sicherheit der Flüchtlinge, sondern nur darum, dass es die Antifa war, die den Nazi klatscht, also darum, sich dem Staat als bessere Polizei anzudienen oder sich gleich als alternativer Staat in Stellung zu bringen.

Dabei wäre es doch unter den gegebenen Umständen die einzige Lösung, wenn Polizei und Justiz das Gewaltmonopol mit aller rechtsstaatlich gedeckten Härte gegen rechtes Gesindel einsetzten. Dafür kann es kein Ersatz sein, dass es ein paar Mal antifaschistische Schläge hagelt, die die wenigsten Nazis zukünftig davon abhalten, weitere Gewalttaten zu begehen. Schlimmer noch: Wenn rechte gegen linke Bande kämpft, verstärkt dies Justitias Blindheit und mindert ihre Fähigkeit und ihren Willen, zwischen den politischen Motiven der Gewalttäter zu unterscheiden. Worum es doch gehen sollte, ist Nazis, also die Personen, die die deutsche Ideologie neben den Islamisten am greifbarsten und gefährlichsten verkörpern, handlungsunfähig zu machen. Und da „Nazis jagen bis zum Kommunismus“ (RAB Hamburg zum „Tag der deutschen Patrioten“ am 12.9.2015) wohl heißen soll, sie ins Krankenhaus zu prügeln, bis der Straßenkampf, auf dessen Niveau man sich selbst unbedingt einlassen möchte, nächsten Monat weitergeht, ist es wohl ganz eindeutig die einzig vernünftige Option, den Staat nun beim Wort zu nehmen, auf dass der Heidenauer und „Hogesa“-Mob ins Kittchen wandert. Die für den Kämpfer einzig konsequente Tat, die Nazis in Eigenregie entweder zu töten oder für immer auszuschalten, muss ein sinnvoll verstandener Antifaschismus sich jederzeit offen halten. Er muss aber vor allem die gegebenen Verhältnisse zur Kenntnis nehmen, in der Nazis im gesellschaftlichen Ansehen auf niederster Stufe stehen und permanent im Fernsehen oder in den sozialen Netzwerken als Dummbeutel oder Pack verhöhnt werden, dass also von einer Akzeptanz, Toleranz oder gar einem faschistischen Staat keine Rede sein kann. Das heißt auch, dass es die Sache ganz offensichtlich nicht wert ist, dafür ins Gefängnis zu gehen. Denn wenn überhaupt etwas hilft, dann doch die nur über den Staat herzustellende Einsicht, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Autoritäten den Nazis entgegen stehen. Vom Staat kann man vernünftigerweise nur wollen, dass er das allgemeine Recht der Willkür entgegensetzt, solange es Schlimmeres gibt, als diese Form staatlichen vermittelten Zwangs (vgl. Scheit 2005). Ein Staat, der sich dem Recht verpflichtet fühlt, kann natürlich nicht dulden, dass irgendein Racket über Leben und Tod entscheidet. Würde also das Prinzip des allgemeinen Rechts „abstrakt negiert; würde als Ideal verkündet, es solle, zur höheren Ehre des irreduzibel Qualitativen, nicht mehr nach gleich und gleich zugehen, so schüfe das Ausreden für den Rückfall ins alte Unrecht.“ (Adorno 2003c: 150) Wie beim kapitalistischen Äquivalententausch, der von der Kritik „als [der] von Gleichem und doch Ungleichem enthüllt [wird], […] zielt die Kritik der Ungleichheit in der Gleichheit auch auf Gleichheit, bei aller Skepsis gegen die Rancune im bürgerlichen Egalitätsideal, das nichts qualitativ Verschiedenes toleriert.“ (ebd.) Dies auszusprechen, was eigentlich jedem klar ist, verdunkelt zumeist bei aller Empörung darüber, wie konsequente antifaschistische Kritik denn auf die Idee käme, die eigenen Reihen zu kritisieren, die Evidenz, dass der ritualisierte antifaschistische Protest inzwischen oft nichts weiter ist, als Seit an Seit mit dem Staat das Bild vom besseren Deutschland zu bewerben, was in Heidenau denn auch genau so durchexerziert wurde.

Es ist eben in der Tat ein Unterschied ums Ganze, dass staatliche Institutionen die Straßenschlacht vermeidbar machen, die Subjekte zu allem anderen auch noch solcherart zurichtet, dass sie durch die Gewöhnung an Auseinandersetzungen körperlicher Gewalt abstumpfen und Gefahr laufen, dies gar als ihren ‚Lebenssinn‘ zu begreifen.

Deswegen, aber nicht nur deswegen, ist die Heroisierung und der Gewaltfetisch, der in dem Slogan „Wenn ich groß bin, möchte ich so werden wie Valentin!“ einen denkbar dämlichen Ausdruck finden, nichts weiter als ein Aufruf dazu, dass noch mehr Antifaschisten ihr Leben weitgehend unnötig im Knast fristen, um dann nichts weiter zu haben als die wohlfeile „Solidarität“ ihrer „Brüder“. Die u.a. während der Demo mehrfach durch den RAB vorgenommene und auch in Ultra-Kreisen geläufige Ersetzung des Begriffs des „Genossen“ durch den des „Bruders“ ist bezeichnend: Zielt die Genossenschaft als „ein Zusammenschluss von natürlichen beziehungsweise juristischen Personen, deren Ziel der Erwerb oder die wirtschaftliche beziehungsweise soziale Förderung ihrer Mitglieder durch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb ist“ (Wikipedia) noch auf einen vertraglich vermittelten Zusammenschluss mehrerer zu einem für sie sinnvollen Zweck, der im Zweifel auch aufgekündigt werden kann, drückt sich im Begriff des Bruders bereits die Bandenstruktur aus, deren Urform immer die Familienbande, La Familia, ist, aus der es kein Entrinnen gibt. Ähnlich wie der faschistische Märtyrer taucht hier „der heroische und männliche Einzelkämpfer“ erst in dem Moment auf, wo schon alles vorbei ist, und verschwindet ansonsten „hinter der Kollektivität […], dem Kampf in den Reihen der Bewegung.“ (Reichardt 2002: 669)

Das, was hier ‚Solidarität‘ genannt wird und auf der Demo, wie wohl kaum anders zu erwarten, nicht nur mit besonders kämpferischer Betonung, sondern im astreinen Stil einer Reichsparteitagsrede heraus krakelt wurde, muss gerade dann in kritischer Absicht erfasst werden, wenn man gewillt ist, dem Wort eine wichtige Bedeutung zuzuerkennen. Über den konkreten, Übelkeit erregenden Vortrag hinaus wird deutlich, dass hier Etymologie, Verschlagwortung wie überhaupt der ganze Gedanke dahinter in den allermeisten Fällen schon alles Organische in sich tragen, wogegen sich Ideologiekritik zu wenden hat. Die Einsicht, es müsste einer vernünftigen ‚Praxis‘ darum zu tun sein, die Welt „nach dem Bedürfnis einer Menschheit ein[zu]richten, die der Gewalt nicht mehr bedarf, weil sie ihrer selbst mächtig ist“ (Adorno 2003a: 95 f.), bleibt systematisch auf der Strecke.

Denn wie sonst ist ein Gestus zu verstehen, der die Gewalt als Zweck an sich erscheinen lässt, der, wie beim Faschisten Luigi Freddi „die Faust [als] Synthese der Theorie“ (zit. n. Reichardt 2002: 663) propagandiert, wenn ganz unmissverständlich klar gemacht wird, dass es vor allem auf „Schläge für die Faschisten“ (RAB 15.8.15a) hinauslaufen soll.

Dies ist nur der konsequenteste Ausdruck davon, Erlösung bloß in einer kollektivistischen Eigentlichkeits-Konstruktion aufgehen zu sehen. „Unsere Solidarität“ – „ihre Repression“ imaginiert konkrete antagonistische Handlungseinheiten statt sich an so etwas wie eine bestimmte Negation der Verhältnisse zu machen, sich also zunächst „unter dem verweilenden Blick des Gedankens“ (Adorno 2003c: 38) der „vernünftige[n] Einrichtung der Gesamtgesellschaft als Menschheit“ (Adorno 2003b: 618) zu nähern. Wer sich aber danach sehnt, selbst über den Ausnahmezustand zu entscheiden und dabei „verfehlt, den gesellschaftlichen Prozess als Gesamtprozess zu verstehen“, der gelangt „innerhalb dieses Prozesses zu einer Scheidung produktiver und nicht produktiver Funktionen“ (Adorno 2003: 83), denunziert also alle, die nicht in den Straßenkampf ziehen wollen, in schlechter Tradition als verweichlicht (vgl. Mosse 1997: 173).

So ist es BA und RAB kein Unterschied, ob nun Nazis oder das bürgerlich-parlamentarische System adressiert werden, als wäre der geballte Antiparlamentarismus von Links wie Rechts, der heute wie früher nur auf Volkes „opake Unmittelbarkeit“ (Adorno 2003c: 161) zielt, nicht gehöriger Teil des Problems. Der Ausspruch des Sqadrenführers Italo Balbo: „Die Entscheidung liegt heute außerhalb des Parlaments. Nicht immer ist eine überhebliche Intelligenz ebenso viel wert wie ein Mann mit Mut und Entschlossenheit“ (zit. n. Reichardt 2002: 662) könnte so auch von dem RAB kommen und auch die BA führt gegen den verhassten bürgerlichen Individualismus straßenkämpferische Kameradschaftsgedanken (vgl. Reichardt 2002: 653) ins Feld. Der Gestus, der z. B. in der Motivik des Free-Valentin-Shirts zum Ausdruck gebracht wird, ist deswegen kein bisschen mehr als bloße gewaltästhetische Romantik, „die Gesellschaft in Formen der Nähe und Unmittelbarkeit“ denunziert und „ihre Schuld den Phänomenen zu[rechnet].“ (Adorno 2003a: 95 f.) Es wird eine „synthetische Bilderwelt“ erzeugt, die „den gescheiterten, doch zwangsläufigen Versuch dar[stellt], dem Erfahrungsverlust, wie ihn die moderne Produktionsweise involviert, zu entrinnen und durch selbstgemachte Konkretion der Herrschaft des abstrakt Gleichen sich zu entziehen.“ Lieber mag man hier „das Konkrete sich selber vorspiegeln als die Hoffnung von sich werfen, die daran haftet.“ (Adorno 2003a: 85)

In der Rede von „ihrer Repression“, der man „unsere Solidarität“ entgegenzusetzen habe, wird nichts weiter als eine kollektivistische „Theorie des Urzustands“ imaginiert, die „die Möglichkeit des Menschen nur zu denken [erlaubt], indem sie in eine Gegebenheit verzaubert [wird]“ (Adorno 2003a: 89 f.): „Hoffnung [liegt] nur bei der Urgeschichte der Menschheit.“ (Adorno 2003a: 88) Genau darin liegt die bezeichnende Ähnlichkeit zur Unmittelbarkeit der Tat im pragmatistischen Vitalismus der faschistischen ‚direkten Aktion‘ (vgl. Vogt 2002). BA und RAB sind offenkundig nur in der Lage, im kämpferischen Partisanenmodus zu denken und zu schreiben. Die Rede vom „demokratischen Knechtsbewusstsein, das die Grundlage für die faschistischen Schlüsse“ bilde (RAB 15.8.15a), ähnelt so nicht zufällig der faschistisch-antibürgerlichen Rede von „servile[r], feige[r] Staatsautorität“ (zit. n. Reichardt 2002: 648). Nicht etwa wird beklagt, dass der Staat unverhältnismäßig und ausschließlich einen Linken einsperrt oder dass er auch linke Gewalt zu unterbinden sucht. Die Kritik an dem, was zunächst wohl eine Analyse allgemeinen positiven Rechts und dessen subjektiver Tatbestandsmerkmale sein soll, beschränkt sich allen Ernstes auf den gebrochenen Stolz der Bruderschaft: „Weil der Staat will das wir alle uns seinem Recht unterordnen und bedingungslos beugen“; „Es wird also dem Täter vorgeworfen, er würde sich nicht genügend unterordnen wollen, er würde vor der staatlichen Rechtsordnung nicht tief genug kriechen!“; „Wir haben festgestellt es geht dem Staat bei der Bestrafung um unser Kuschen vor der Rechtsordnung.“ (RAB 15.8.15b) Angesichts dessen kann es gar nicht mehr wundern (man weiß nur nicht, wie ein Linker so dämlich sein kann, es auch noch offen auszuplaudern), dass der antifaschistische Leitslogan des RAB darin besteht „sich gegen faschistische Angriffe gerade zu machen“ (RAB 15.8.15a), was nichts weiter ist als das Appellieren an einen kämpferischen männlichen Ehrbegriff, der in gleicher Form auch bei den Faschisten integral ist. So reagierten rechte Fans von Rot-Weiß Essen auf die Auseinandersetzung in Bremen mit dem Soli-Spruchband „NSHB (Nordsturm Hansestadt Bremen, die Verf.) – Stabil Bleiben!!!“.

Faschisten und Nationalsozialisten jeder Art galten und gelten nicht zuletzt „die emotionale Entschlossenheit“, „Haltung und Ausdruck“ als zentrale Bezugsgrößen und rangieren mitunter „vor dem politischen Inhalt“ (Reichardt 2002: 658). Hier wird „bis in die Vulgärsprache hinein, die Menschen lobt, wofern sie positiv seien, schließlich in der mordlustigen Phrase von den positiven Kräften, […] das Positive an sich fetischisiert.“ (Adorno 2003c: 162) Für den Konkretisten, für den Faschisten, für den linken Revolutionär „gibt [es …] keine Rechtfertigung versöhnten Lebens, als dass es noch gegebener, noch positiver, noch daseiender sei als die Hölle des Daseins.“ (Adorno 2003a: 89f.) Dieser Drang zur Tat, der sich gesellschaftlich als männliches Prinzip offenbart, war und ist ganz und gar wesentlich für die faschistische Ideologie (vgl. Mosse 1997: 203–233). Diesen zu bekämpfen, indem man den Schlägerbanden eigene entgegenstellt, ist, um es klar zu betonen, noch kein Faschismus, sondern ähnelt diesem in der Form, nicht im Inhalt. Wer aber glaubt, deswegen Entwarnung geben zu können, liegt vollkommen falsch: Es ist gerade zentrales Merkmal der irrationalen Verhältnisse, Mittel und Zweck zu vertauschen. Eine fragwürdige Form, martialisches Auftreten, Männerbündelei, der Drang ins Positive und zur Tat, ein alberner Militanzfetisch und Anschläge auf die Sprache sind keine lässlichen Sünden, von denen man einen „eigentlich“ richtigen Inhalt abstrahieren kann. Gerade weil jeder Inhalt nur durch die Form vermittelt werden kann, ist eine verhunzte Form die angemessene Darstellungsform einer inhaltlichen Armseligkeit, die denen der Faschisten ähnelnde Bedürfnisstrukturen nur mühsam kaschieren kann.

So legen auch die zahlreichen Solidaritätsfotos, auf denen maskierte Menschen mit gereckten Fäusten oder sonstigen Gegenständen, die wohl Waffen sein sollen, teilweise mit nackten Oberkörpern und natürlich das ultratypische Leuchtfeuer-Panorama zu sehen sind, Zeugnis davon ab, was hier allein im Vordergrund steht: eine Brüderlichkeit, die sich wesentlich als eine in diesem Fall linke ‚Männerfantasie‘ darstellt. In Form und Inhalt (‚Theorie und Praxis‘) des RAB-Antifaschismus ist dies überdeutlich und es wird klar, dass es sich nicht einfach nur um eine Gewaltideologie (vgl. Theweleit 2005) handelt, sondern als unheilvolle Verknüpfung von männlicher „prowess“ und unbedingtem Drang zur Tat betrachtet werden sollte. Als hätte die Attraktivität der faschistischen Männerkampfbünde (vgl. Balistier 1989; Reichardt 2002: 660–695) nicht eben genau in jener ‚virilen Männlichkeit‘ (vgl. Bruns 2008; Winter 2013) gelegen, die gerade auch bei Ultras so häufig anzutreffen ist (vgl. Gabler 2011; Sülzle 2005). Auch hier ist die kurveneigene Gewaltästhetik und die im Prinzip der (Fan-) Bande angelegte Feindschaft gegen die Fremdgruppe, ohne die es im Fußball bis jetzt nicht zu gehen scheint (und die zu problematisieren auch im „offenen Diskurs“ der sich als progressiv begreifenden Ultras unerwünscht ist), selbst im besten Fall und bei Menschen mit den besten Absichten nichts weiter als der absurde Versuch, die faschistische Tendenz, die dem Fußball und insbesondere seinen Fans innewohnt, einzudämmen, während man sie selbst aktiv reproduziert. „Nichts aber ist moderner als diese Archaik: die sportlichen Massenveranstaltungen waren die Modelle der totalitären Massenversammlungen. Als tolerierte Exzesse verbinden sie das Moment der Grausamkeit und Aggression mit dem autoritären, dem disziplinierten Innehalten von Spielregeln: legal wie die neudeutschen und volksdemokratischen Pogrome.“ (Aodrno 2003a: 79). Es gälte also doch diesen „bösen Blick“, der „Phänomene [trifft], welche man verfehlt und verharmlost, solange man sie als bloße Fassade der Gesellschaft von obenher abtut, ohne bei ihnen zu verweilen“ (ebd.) konsequent beizubehalten, gerade wenn man sich selbst affirmativ z.B. als „Fußballfan“ oder „Ultra“ begreift. Ist aber bereits Kritik am Charakter bandenmäßig organisierter Fans, die von der Initiation, den Anwärtern, dem engen Zirkel, einer Gruppenkluft bis zum eisernen Dichthalten nach außen kriminellen Vereinigungen wie Motorradgangs ähneln, unter linken Ultras nur selten Thema, will man dort vom Charakter des Fußballs als Massenveranstaltung, die man so tatkräftig mitinszeniert, schon gar nichts wissen.

Es ist keineswegs zufällig, dass die Auseinandersetzung mit Ästhetik, insbesondere der des Faschismus, in der Linken merkwürdig unterbelichtet blieb, obwohl doch vom Faschismus immerfort die Rede ist. Die Ahnung, dass es hier unheilvolle Verknüpfungen mit dem gibt, was man selber verkörpert und politische Praxis nennt, dass man in einer postnazistischen Gesellschaft selbst fast zwangsläufig zum Fortleben des Nazismus beiträgt, ist vorhanden, wird aber abgespalten und verdrängt. Besonders offenbar wird das an der Art und Weise, in der der „Szenediskurs“, der sich z.B. immer besonders gender-sensibel gibt und Antideutsche routiniert als „Sexisten“ denunziert, am Ende doch nicht mehr kann, als den Drang zur Tat, der historisch als männliches Prinzip in Erscheinung tritt, in queer-farbener Maskerade zu exekutieren, als ginge es darum, „dass die verstümmelten Sozialcharaktere der Frauen den verstümmelten Sozialcharakteren der Männer gleich werden.“ (Adorno 2003a: 82) So tauchen „Schwestern“ bei der RAB auch allenfalls als opferbereite Mitkämpferinnen (vgl. Reichardt 2002: 674–676) im kurdischen Kobane auf.

Wer also seine „Mittel […] nicht anhand des StGb auswählen möchte, sondern danach ob sie tauglich für [die eigenen] Zwecke sind“ (RAB 12.8.15), täte gut daran, diese Zwecke nach den wirklichen Erfordernissen antifaschistischer Praxis auszurichten – nicht nach dem eigenen Beleidigtsein, nicht nach dem eigenen Bedürfnis zur gewaltsamen Auseinandersetzung, also „ohne Opfer und Rache“ (Adorno 2003c: 145). Das würde ausschließen, sich dumpf und begriffslos als „Revolutionäre der gesellschaftlichen Moralbegriffe“ (Reichardt 2002: 658 f.) zu gerieren, wie es auch die historischen Faschisten taten. Und schon gar nicht sollte man sich solcherart aufführen, als hätte man vor allem anderen zunächst fleißig ein detailgenaues Studium faschistischer Ästhetik betrieben, wovon sich die Arbeiterliturgie als eigener Beitrag zur ‚Nationalisierung der Massen‘ bekanntlich immer schon nur geringfügig unterschied (vgl. Mosse 1976: 190–212): „Der sowjetische Realismus und die offizielle nationalsozialistische Kunst hatten auch viele herausragende Merkmale gemein: begeisterte Gebärden, hocherhobene Köpfe, offene und ehrliche Blicke. Auch in ihren Versinnbildlichungen von Willenskraft, Massivität und Stärke unterschieden sie sich nicht, und hier wie dort gehörte die Kameradschaft zu den beliebtesten Themen.“ (Mosse 1997: 171)

Angesichts allgegenwärtiger und ’strictly‘ antifaschistischer Rhetorik ist offenkundig, dass hier eine massive Verdrängungsleistung vorliegt, die auch den ‚bürgerlichen‘ Allgemeinplätzen und Vorstellungen vom und zum Nationalstaat wie von Gesellschaft insgesamt innewohnt und das Völkische nur als Bestandteil eines vulgären Nationalismus der exterritorialisierten Neonazis abspaltet. Vor diesem Hintergrund ähnelt der verbissene Kampf gegen die zum Glück sehr wenigen Neonazis, die in Bremen offenbar weitestgehend immer noch dieselben versprengten und zugleich ohne Frage mitunter schlagkräftigen Elendsgestalten wie schon vor Jahren sind, so verdächtig dem staatsoffiziellen „Aufstand der Anständigen“ (G.Schröder). Das eigene nazistische Bedürfnis nach Kollektiv, Männerbund und Bruderschaft wird am Neonazi umso verbissener bekämpft, weil sich dieser besser als jeder andere als Projektionsfläche eignet. Es ist erstaunlich, dass ihnen keiner auf die Schliche kommt, auch wenn es so offensichtlich und in Verknüpfung mit der faschistischen Männlichkeitsvorstellung daherkommt wie beim RAB. Die Art und Weise, in der hier Kollektive als revolutionäre Subjekte imaginiert und ein Kampf auf Leben und Tod beschworen wird, lässt einen nur hoffen, dass es so weit nie kommen möge. Anstatt fortwährend eine Gesellschaft zu beweinen, die so fürchterlich patriarchal sei, die Sprache mit lauter _innen zu verhunzen und lustfeindliche Verhaltensregeln aufzustellen, wäre es an der Zeit, einmal die Frage zu stellen, welcher mythische Gesellschaftsbegriff dem eigenen Unternehmergeist zugrunde liegt und inwiefern die Hinwendung zu einem zu erkämpfenden Naturzustand selbst dazu beiträgt, das männliche Prinzip fortwährend zu reproduzieren. Valentin wäre jedenfalls zu wünschen, dass er auf die Solidarität dieser „Brüder“ pfeift, auf seinen Anwalt hört, an Anti-Gewalt-Trainings teilnimmt und die Gelegenheit wahrnimmt, aus der Szene auszusteigen, um ein kritisches Mitglied nicht irgendeines Rackets, sondern der noch herzustellenden Menschheit zu werden.

Quellen:

Sternhell, Zeev (1999): Die Entstehung der faschistischen Ideologie. Von Sorel zu Mussolini, Hamburg: Hamburger Edition.

RAB (15.8.15a): Rotfront gegen die Faschisten. Freiheit für Valentin, Flugblatt vom 15.8.2015.

Basisgruppe Antifaschismus (15.8.15): Für ein Ende der Gewalt, Demobeitrag und Flugblatt vom 15.8.2015, online: http://basisgruppe-antifa.org/wp/2015/08/15/fuer-ein-ende-der-gewalt/

RAB (15.8.15b): Rotfront!, Demobeitrag vom 15.8.2015

Demoaufruf verschiedener Ultragruppen, online z. B.:

http://infamousyouth.org/?content=showNews&id=47

Scheit, Gerhard (2005): Der neue Behemoth und die alten Grenzen des Liberalismus, Bahamas 48.

Vogt, Peter (2002): Pragmatismus und Faschismus. Kreativität und Kontingenz in der Moderne, Weilerswist: Velbrück.

Adorno, Theodor W. (2003b): Fortschritt, in: Ders.: Gesammelte Schriften, Bd. 10.2, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 617–638.

Winter, Sebastian (2013): Geschlechter- und Sexualitätsentwürfe in der SS-Zeitung ‚Das Schwarze Korps‘. Eine psychoanalytisch-sozialpsychologische Studie, Gießen: Psychosoizal-Verlag.

Adorno, Theodor W. (2003a): Veblens Angriff auf die Kultur, in: Ders.: Gesammelte Schriften, Bd. 10.1, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 72–97.

Gabler, Jonas (2011): Fußball als Männerbund. Die Rolle der Frau in der Fußballkultur, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 7/2011, S. 60–67. Berlin: Blätter Verlagsgesellschaft.

Sülzle, Almut (2005): Fußball als Schutzraum für Männlichkeit? Ethnographische Anmerkungen zum Spielraum für Geschlechter im Stadion, in: Koordinationsstelle Fanprojekte (Hrsg.): gender kicks. Texte zum Fußball und Geschlecht, Frankfurt a. M., online: http://www.kos-fanprojekte.de/index.php?id=211

Aktionsbündnis gegen Wutbürger (2014): Der große Agitator, https://abgwb.wordpress.com/2014/08/14/der-grose-agitator/

Theweleit, Klaus (2005 [1977, 1978]): Männerphantasien 1 + 2, München/Zürich: Piper.

Bruns, Claudia (2008): Politik des Eros. Der Männerbund in Wissenschaft, Politik und Jugendkultur (1880–1934), Köln/Weimar/Wien: Böhlau.

Reichardt, Sven (2002): Faschistische Kampfbünde. Gewalt und Gemeinschaft im italienischen Squadrismus und in der deutschen SA, Köln/Weimar/Wien: Böhlau.

Balistier, Thomas (1989): Gewalt und Ordnung. Kalkül und Faszination der SA, Münster: Westfälisches Dampfboot.

Mosse, George L. (1997): Das Bild des Mannes. Zur Konstruktion der modernen Männlichkeit, Frankfurt a. M.: Fischer.

Nassehi, Armin (2009): Der soziologische Diskurs der Moderne, Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

Schlemmer, Thomas; Woller, Hans (2014): Essenz oder Konsequenz? Zur Bedeutung von Rassismus und Antisemitismus für den Faschismus, in: Dies. (Hrsg.): Der Faschismus in Europa. Wege der Forschung, München: De Gruyter Oldenbourg, S. 123–144.

Mosse, George, L. (1976): Nationalisierung der Massen. Politische Symbolik und Massenbewegungen in Deutschland von den Napoleonischen Kriegen bis zum Dritten Reich, Frankfurt a. M.: Ullstein.

Adorno, Theodor W. (2003c): Negative Dialektik, in: Ders.: Gesammelte Schriften, Bd. 6, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 7–412.

Cailllera (2013): Fußballfans gegen Antisemitismus. http://caillera.net/fussballfans-gegen-antisemitismus/

Radio Bremen (2015) Polizei will härter gegen „Ultras“ vorgehen http://www.radiobremen.de/sport/fussball/werder/werderfansangriff100.html

Adorno, Theodor W. (2003d): Minima Moralia, in: Ders.: Gesammelte Schriften, Bd. 4, Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

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Bremer Zustände Teil 7 – Juden antreten zum Zahlappell

Der schon hinlänglich eingeführte Herr Strohmeyer lässt einmal mehr die Maske beiseite und widmet sich ganz ohne Umschweife einem Anliegen, das er wohl als „Judenkritik“ bezeichnen würde, machte er sich denn einen Begriff davon. Bekanntlich legt der ehemalige Journalist und Kultur-Redakteur des Bremer Landesverbands der Partei „Die Linke“ größten Wert auf die Feststellung, dass es einzig und allein der eine jüdische unter allen Staaten ist, den er bei jeglicher unpassenden Gelegenheit verbal attackiert. Wer dahinter Antisemitismus vermutet, liegt natürlich vollkommen richtig, schließlich ist es Arn Strohmeyer offenkundig darum zu tun, sich postum mit seinem Vater, dem NS-Journalisten Curt Strohmeyer, doch noch zu versöhnen, unter dem er immer so gelitten hat. Büßen müssen dies die Juden und ihr Staat Israel, was nach der einfachen Projektionsleistung funktioniert, Juden zu Rechtsextremisten und Israel als Unrechtsstaat abzustempeln. Wer einem wie Strohmeyer nachweist, dass er über seine Zuschreibungen an Juden und Israelis lediglich das alte antijüdische Ressentiment ausagiert, der betreibt natürlich in den Augen eines blindwütigen Judenhassers nichts als üble Nachrede und eine auf die Vernichtung der Persönlichkeit gerichtete Psychologisierung – ganz so, als wäre daran noch irgendetwas zu vernichten, wenn die Destruktivkräfte bereits dermaßen überhand genommen haben, dass einer an gar nichts anderes mehr denken kann als an seinen Vernichtungswunsch gegenüber dem jüdischen Staat.

Nun wäre Arn Strohmeyer hier nicht das Thema, wenn er seine daddy issues mit seinem Therapeuten bespräche oder wenn man ihm überall das politische Mitwirken aufgrund seiner Obsession verwehrte. In Wirklichkeit verhält es sich so, dass Arn Strohmeyer in Bremen überall mitmischt und mitmischen darf, wo es innerhalb friedensbewegter oder altlinker Kreise um das Thema Nahost, d.h. in diesen Kreisen: gegen Israel, geht. So hat er für die Bremer Linkspartei diverse Artikel und Broschüren verfasst, die problemlos über die Homepage des Landesverbands abzurufen sind. Und wenn sich in Bremen tausende zusammenrotten, um ihren Antisemitismus auszuagieren und gegen Israel zu demonstrieren, dann freuen sie sich, dass der große Agitator ihnen die Hetzrede hält, die sie alle hören wollen. Organisationen wie das Bremer Friedensforum sind zwar eifrig darauf bedacht, dass sie nicht direkt mit ihm assoziiert werden – wenn das Aktionsbündnis gegen Wutbürger über den lupenrein antisemitischen Charakter seiner Reden aufklärt, dann wird das Manuskript klammheimlich von der Homepage des Bremer Friedensforums entfernt und es wird lediglich noch angeboten, es auf Anfrage per E-Mail zuzusenden. Man hofft dort offenbar, dass einem keiner auf die Schliche kommt, dass man nicht am Ende doch noch aus der Villa Ichon und anderen Zusammenhängen herausgewiesen wird, weil man einem antisemitischen Hassprediger ein Forum bietet. Das Aktionsbündnis gegen Wutbürger lässt sich durch solche Verschleierungstaktik selbstverständlich nicht beeindrucken und beharrt darauf, dass alle widerwärtigen Äußerungen Strohmeyers auch dem Bremer Friedensforum zuzurechnen sind. Wer mit Strohmeyer und Konsorten zusammenarbeitet, leistet keine Arbeit für den Frieden, sondern steht auf der Seite der Mörder, die mit Messern und Äxten in Synagogen eindringen, um möglichst viele Juden abzuschlachten.

Nun wäre aber Arn Strohmeyer nicht der Antisemit, der er ist, wenn er seinen Judenhass nur am Staat Israel ausagierte. Auch die jüdische Gemeinde Bremen wird zur Zielscheibe seiner Attacken:

Verschiedene Religionsgemeinschaften und Vereine haben in Bremen angekündigt, dass sie mit Geldbeträgen und Hilfsgütern den Menschen beistehen wollen, die vor den Kämpfen in Syrien und dem Irak fliehen mussten.

deckt Strohmeyer auf der Seite des Nahost-Forums Bremen auf, dem Syrien und Irak sonst genauso wenig ein Thema sind wie Libanon, Saudi-Arabien oder der Iran, weil es sich in der ganzen Region sowieso nur an an dem einen Staat stört, gegen den es auch seine samstäglichen „Mahnwachen für Palästina“ vor dem Bremer Dom organisiert. Von einer Mahnwache für Syrien oder gegen das dortige Blutvergießen ist von diesem Forum Nahost schon deswegen nichts zu hören, weil die dort umgebrachten Syrer (und Palästinenser) nicht Israel in die Schuhe geschoben werden können, was sie für solche Antisemiten zu uninteressanten Kollateralschäden macht. Mit traumwandlerischer Sicherheit findet Strohmeyer unter den verschiedenen Vertretern Bremer Religionsgemeinschaften die eine, der er das humanitäre Engagement so nicht durchgehen lassen kann:

Auch die Bremer Jüdische Gemeinde beteiligt sich daran. Deren Vorsitzende Elvira Noa begründete am Donnerstag ihr Engagement für die Flüchtlinge mit der jüdischen Ethik: Es wäre doch eine Selbstverständlichkeit, diesen Menschen in großer Not zu helfen.

Nun müsste der letzte Satz, wäre er einer, der in indirekter Rede die Aussage Elvira Noas wiedergäbe, im Konjunktiv 1 formuliert sein. So wie Strohmeyer ihn aber formuliert hat, bildet er die Kurzfassung seines zum Erbrechen wiederholten Credos, dass die einzigen rechtmäßigen Besitzer einer jüdischen Ethik die handvoll Kronzeugen sind, von denen er sich in seinem Ressentiment bestätigt fühlt, anderen Juden – d.h. praktisch allen – ist Hilfe für notleidende Menschen demnach keine Selbstverständlichkeit. Vielmehr seien die Juden, die sich nicht permanent von Israel distanzieren, automatisch Teil der brutalen israelischen Kriegsmaschinerie, die Palästinenser in Ghettos sperre und mit Krieg überziehe. Was er allerdings unfreiwillig noch sagt: eine Selbstverständlichkeit ist es für ihn nicht. Schließlich ist er auch noch nie dadurch in Erscheinung getreten, dass er sich über die große Not der im Verlauf der letzten drei Jahre vom Ba’ath-Regime Ausgehungerten und Ausgebombten in Rage geschrieben hätte, und beträfe es auch nur diejenigen, die in Syrien als „palästinensische Flüchtlinge“ noch in vierter Generation in Elendslagern festgehalten werden. Er hat auf ein anderes Stichwort gelauert:

Da spiele die Religionsgemeinschaft gar keine Rolle.

Für Arn Strohmeyer tut sie das aber sehr wohl. Deshalb ist der Fachmann für antijüdische Ethik auch nicht um die Idee verlegen, wie das Engagement der Jüdischen Gemeinde gegen sie – und nur gegen sie – zu verwenden wäre:

Wenn das so ist, dann ist es doch auch eine Selbstverständlichkeit, dass Frau Noa zur Hilfe für die Menschen im Gazastreifen aufruft.

Seine jüdischen Nachbarn sind es, die er gerne für die in Gaza herrschende Misere in die Pflicht nehmen will, weil für ihn ohnehin alle Juden irgendwie Israelis und damit Verbrecher sind. Nicht nur die Israelis, sondern alle Juden, so die Intention Strohmeyers, sollen gefälligst Reparationen leisten an die Urheber des Raketenkrieges, der diesmal so weit ging, dass die Menschen in Tel Aviv und Rishon LeZion genauso um ihr Leben laufen mussten wie das in Sderot und Ashkelon schon zuvor praktisch an der Tagesordnung war. Dass uns Strohmeyer diese „Selbstverständlichkeit“, Juden gesamthaft für den Terror der Antisemiten büßen zu lassen, ausgerechnet in dem Monat auftischt, in dem die Deutschen sich für die 25 Jahre feiern, die sie den Tag des Novemberpogroms von 1938 nun schon in ein neues nationales Erweckungsereignis umgedeutet haben, dürfte auch kaum zufällig sein. Papa wäre stolz.

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Der große Agitator

In der Nacht vom 12. auf den 13. Juli zog eine aufgebrachte Menge junger Männer durch das Bremer Steintorviertel. Rufe wie „Zionisten sind Faschisten“ und „Kindermörder Israel“ ertönen. Es kommt zu Gewaltdrohungen gegen Passanten, ein Bremer Journalist wird attackiert. Ein Mann, der dem Journalisten zur Hilfe kommt, wird niedergeschlagen, landet mit dem Kopf auf dem Pflaster und erleidet schwere Kopfverletzungen. Er gehört der linken, antisemitismuskritischen Bremer Gruppe „Associazione delle Talpe“ an.

Man könnte erwarten, dass ein solcher Akt der Gewalt mit derart gravierenden Folgen eine Welle der Solidarität mit dem Opfer auslöste. Die Associazione delle Talpe ist in Bremen innerhalb der Linken gut vernetzt und grundsätzlich wohlgelitten. Das liegt schlicht und ergreifend am „zahme(n) Gestus, der stets »problematisieren« nicht aber »polemisieren« oder gar »diffamieren« will“ und „letztendlich zu einer ‚Appeasment‘-Politik“ gegenüber der Bremer Linken geführt hat. So mischt man im Bremer Infoladen mit und lässt sich von der Linkspartei bzw. deren Rosa-Luxemburg-Stiftung finanzieren.

Warum das so ist, dafür reicht ein kurzer Blick in die Broschüre Staatsfragen – Eine Einführung in die materialistische Staatskritik, die von der Associazione delle Talpe in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Bremen herausgegeben wurde. Was dort präsentiert wird, ist ein Sammelsurium verschiedener „marxistischer Staatstheorien“, die nach Meinung der Herausgeber wohl dazu angetan sein sollen, den Verdammten dieser Erde Erkenntnis über ihren desolaten Zustand zu vermitteln. Denn zu warnen ist, so heißt es schon im Vorwort, vor spontanen Protesten, da diese „alleine noch nie die gesellschaftlichen Verhältnisse emanzipatorisch verändert haben“, weswegen eine „staatskritische Bewegung“, die nach „der Aufhebung des jetzigen Zustands“ strebt, das Ziel zu verfolgen habe, „durch Selbstorganisation und Selbstverwaltung“ einen solchen Zustand zu erkämpfen. Dabei bestehe die zentrale Aufgabe darin, „Geschichtslosigkeit, antiintellektuelle Ressentiments und Theoriefeindlichkeit“ zu überwinden. „Die kollektive Aneignung, Diskussion und Weiterentwicklung (staats-)kritischen Wissens ist daher gewissermaßen Maulwurfsarbeit, um in Zeiten fern der befreiten Gesellschaft überwintern zu können und die Waffen der Kritik für künftige Auseinandersetzungen scharf zu halten.“

Die Vorstellung, dass die „Maulwurfsarbeit“ in nichtrevolutionären Verhältnissen darin bestehe, sich ein „profundes Wissen der aufhebungswürdigen Verhältnisse anzueignen“, ist im doppelten Sinne anschlussfähig an den linken Mainstream: Einerseits lässt sich die Theoriearbeit, die von Kritik und Polemik möglichst wenig wissen will und sich nur selten ins Handgemenge begibt, wunderbar für akademische Tätigkeiten, Promotionen und dergleichen nutzen, die dann wieder durch die einschlägigen Stiftungen gefördert werden. Kein Linker, kein Antisemit, kein Staatsfetischist muss sich durch die abstrakte Staatskritik angegriffen fühlen, die nur die Klassiker repetiert und zu aktuellen politischen Auseinandersetzungen wenig zu sagen hat. Die Ausführungen der Associazione delle Talpe sind ein einziger Beleg für Pohrts These, dass auf 100 Dissertationen, die sich mit Adorno befassen, kaum eine komme, die selbst polemischen, d.h. gesellschaftskritischen Charakter habe. Andererseits kann man sich als besonders radikaler Staatskritiker deswegen gerieren, weil man sich mit der Frage, was vielleicht noch schlimmer wäre als das staatliche Gewaltmonopol und wann der Einsatz staatlicher Gewalt sogar zu begrüßen ist, nicht befassen muss, wenn man jede Bezugnahme zu aktuellen Geschehnissen vermeidet und „materialistische Staatskritik“ im luftleeren Raum betreibt. Denn sobald sich der antisemitische Mob auf den Straßen austobt, bleibt selbst diesen Staatskritikern nichts anderes übrig, als das Einsatzkonzept der Polizei zu hinterfragen und von der Staatsmacht besseren Schutz zu fordern.

Eine pauschale Kritik des Staates und der Nationen, wie sie in Bremen immer noch Mode ist und die gerade nicht ihre Aufhebung in supranationale Organisationen, Banden und Terrorgruppen ins Zentrum der Kritik stellt, sondern sich endlos in nutzlosen Turnübungen am Begriff ergeht, die Ableitungstheorie diskutiert usw. usf., scheint sich dabei bestens mit der realen Tendenz zu verstehen, an die Stelle des Staates und einer zentralen, vermittelten Staatsgewalt die unmittelbare, nackte Gewalt zu setzen. Was zum Beispiel ISIS über die Grenzen des Iraks und Syriens hinaus zu installieren trachtet, könnte man durchaus als Versuch begreifen, „durch Selbstorganisation und Selbstverwaltung“ eine andere Ordnung an die Stelle der Bestehenden zu setzen, die gerade nicht mehr staatlicher Natur ist. Die „Staatskritik“ antinationaler Prägung liefert, wie andere linke Theoreme vorher, entgegen der ursprünglichen Intention materialistischer Staatskritik lediglich den Sound zum Vollzug einer Barbarei, die noch weit schlimmer ist als das, was Linke zu überwinden antreten.

Allein: Genutzt hat diese Anbiederung an den linken Mainstream der Associazione delle Talpe freilich nichts. Die aktive Solidarität, der Verzicht auf jede Zuspitzung der Kritik der Linken oder des Antisemitismus zu einer der Antisemiten und ihrer Umtriebe hat keineswegs dazu geführt, dass es zu Solidaritätsbekundungen kam, als antisemitische Schläger einen jungen Mann ins Koma prügelten. Als repräsentativ für eine undogmatische Linke in Bremen darf das Weblog end of road gelten, das auch die Associazione delle Talpe verlinkt. In einer dort veröffentlichten Stellungnahme der Gruppe „NoLager Bremen“ heißt es zu dem brutalen Angriff auf ihren linken „Genossen“ lapidar:

Mit Blick auf ei­ni­ge der be­reits er­folg­ten Pro-​Pa­läs­ti­na-​De­mos fin­det mor­gen in Bre­men eine „Kund­ge­bung gegen An­ti­se­mi­tis­mus“ statt. Das ist durch­aus nach­voll­zieh­bar, denn na­tür­lich hat es an­ti­se­mi­ti­sche Aus­fäl­le auf den di­ver­sen Demos der jüngs­ten Zeit ge­ge­ben, auch am Wo­chen­en­de – ganz zu schwei­gen von den dra­ma­ti­schen Ver­let­zun­gen, die eine Per­son im Zuge einer nächt­li­chen Pro-​Pa­läs­ti­na-​De­mo in Bre­men er­lit­ten hat. Nicht nach­voll­zieh­bar ist in­des­sen die Selbst-​Be­schrän­kung auf „An­ti­se­mi­tis­mus“, d.h. die Nicht-​Be­reit­schaft, eine linke, mit­hin eman­zi­pa­to­ri­sche Po­si­ti­on zur Si­tua­ti­on in Is­ra­el/Pa­läs­ti­na zu be­zie­hen (nicht zu­letzt in An­leh­nung an un­dog­ma­tisch-​lin­ke Po­si­tio­nen, wie sie von ent­spre­chen­den Grup­pen und Netz­wer­ken in Is­ra­el/Pa­läs­ti­na of­fen­siv ver­tre­ten wer­den).

Nachdem der sehr konkrete Mensch, der von brutalen Antisemiten zusammengeschlagen wurde, zur „Person“ entindividuiert wurde, wird zumindest suggeriert, dass sich diese durch ihre „Selbst-Beschränkung auf den Antisemitismus“ und die „Nicht-Bereitschaft, eine linke, mithin emanzipatorische Position zur Situation in Israel/Palästina zu beziehen“ alles weitere im Grunde selbst zuzuschreiben habe. Wer solche Genossen hat, braucht keine Feinde mehr und es wäre das Mindeste, den Betreibern von „end of road“, die dieses Musterbeispiel der Entsolidarisierung veröffentlicht haben, jedwede Kooperation aufzukündigen.

Auch die Partei „Die Linke“ in Bremen, ein von antizionistischen Hardlinern durchsetzter Landesverband, sah sich gezwungen, zwar den antisemitischen Charakter der Demonstration einzuräumen. Dabei wurde aber jedes Wort der Empathie und der Solidarität mit dem schwer verletzten „Genossen“ vermieden: „In Bremen gab es in den vergangenen Tagen mehrere Spontandemonstrationen gegen Israel, die eine klar antisemitische Ausrichtung hatten. Dort kam es zu Angriffen auf mindestens einen Passanten und einen Journalisten. Menschen wurden als „Scheiß Juden“ beschimpft, eine Person wurde schwer verletzt.“ Um der Gefahr zu entrinnen, die Stellungnahme könnte als Solidaritätsadresse mit Demonstrationen gegen Antisemitismus missverstanden werden, wurde aber ausdrücklich betont: „Der gesamte Konflikt ist aktuell und in seiner Geschichte viel zu komplex, als dass einseitige Schuldzuweisungen und Demonstrationen zur Lösung und Beruhigung der Lage beitragen würden.“

Einige Tage später, nach einer antisemitischen Großkundgebung in Bremen, von der noch zu sprechen sein wird, legte der Landesvorstand eine weitere Erklärung nach. Darin heißt es:

Wir sind froh, dass die gestrige Bremer Demonstration „Für Gerechtigkeit und Frieden in Palästina“ friedlich verlaufen ist und dass es den Organisatoren gelungen ist, antisemitische Äußerungen auf der Demonstration weitgehend zurückzudrängen. Dies ist auch ein Erfolg der vorangegangenen Bremer Kundgebung „Zusammen gegen Antisemitismus“, die den Druck darauf unmissverständlich erhöht und unterstrichen hat, dass es für antisemitische Stimmungsmache in Bremen keinen Raum geben darf. Ereignisse wie in der Nacht vom 12. zum 13. Juli, als es im Viertel bei einer propalästinensischen Demo zur lebensgefährlichen Verletzung eines Passanten kam, der einen Bremer Journalisten schützen wollte, dürfen sich nicht wiederholen.

 

Der massive militärische Angriff der israelischen Armee im Gazastreifen und die jahrelangen, täglichen Raketenangriffe der Hamas auf Israel müssen gestoppt werden. Wir können all jene verstehen, die sich angesichts der Opfer, der Bedrohung und der Mobilisierung von Hass solidarisieren wollen – weil sie Angehörige und Freunde in Israel und den palästinensischen Gebieten haben, weil sie sich jeweils berechtigten Positionen und Betroffenheiten (sic!) verbunden fühlen, weil es die Notwendigkeit gibt, Stellung gegen Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus zu beziehen. Wir verstehen aber auch diejenigen gut, die sich in diesen Tagen kaum in der Lage sehen, Solidarität zu üben, solange Empathie „für die eine Seite“ offen oder stillschweigend Ignoranz gegen „die andere Seite“ meint oder als solche (miss)verstanden wird.

Auch hier wird man vergeblich auf Solidarität oder Mitgefühl warten müssen. Kein Wort davon, dass der „Passant“ ein linker Antifaschist gewesen ist, kein Wort zur Associazione delle Talpe, die doch eng mit der Bremer Rosa-Luxemburg-Initiative verbandelt ist. In allerhöchstens pflichtschuldigem Mitleid heißt es lediglich, ein solcher Vorfall dürfe sich „nicht wiederholen“, wobei jedes konkrete Wort dazu vermieden wird, wie dies zu verhindern sei. Stattdessen wird das abgespult, was vermutlich auch die Gruppe „NoLager“ unter einer emanzipativen Position zum Nahost-Konflikt versteht: Ganz uneinseitig fordert man, Ursache und Wirkung bereits semantisch vertauschend, dass der „massive militärische Angriff der israelischen Armee“ und „die jahrelangen, täglichen Raketenangriffe der Hamas“ gestoppt werden müssten – als sei nicht etwa das Ende des Zweiten die Voraussetzung für Ersteres. Einem solchen Geschwafel über Komplexität des Konflikts, Betroffenheiten, einseitige Schuldzuweisungen, Empathie und Ignoranz gilt es entgegenzuhalten, dass die Wurzel des Konflikts dieselbe ist wie die Ursache des Gaza-Kriegs: Das Ziel aller Antisemiten und Antizionisten, den jüdischen Staat Israel zu zerstören und seine Bewohner zu massakrieren.

Dieser Vernichtungswunsch verträgt sich seit jeher problemlos mit einer emanzipativen Position zum Nahostkonflikt, wie sie der Gruppe „NoLager“, der Linkspartei und anderen linken „Israelkritikern“ vorschwebt. Zwar wird das Ziel einer Vernichtung des jüdischen Staates vehement geleugnet, wenn permanent von Besatzung, dem Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes, israelischer Siedlungspolitik, einer ultrarechten israelischen Regierung, der Mauer der Schande, den elenden Lebensbedingungen in den besetzten Gebieten und im Gazastreifen oder der Würde des palästinensischen Volkes die Rede ist. Käme Israel aber auch nur im Ansatz den Forderungen dieser emanzipativen Linken nach einem Abriss der Sperranlage, einer Aufgabe aller Gebiete jenseits der Grenzen von 1967, einem Ende der Blockade des Gazastreifens und einer Demilitarisierung entgegen, könnte es als funktionsfähiger, wehrhafter und für seine Bürger lebenswerter jüdischer Staat nicht mehr existieren.

Dass dies den Proponenten einer emanzipativen Position zum Nahostkonflikt nicht bewusst oder egal ist, wäre eine beschönigende Darstellung. Eine Linke, die es nie mit der Freiheit gehalten hat, kann bedenkenlos „Freiheit für Gaza“ fordern, auch wenn die militanten Gruppen dort nicht für, sondern gegen die Freiheit kämpfen. Denn es gibt keinen sinnvollen Begriff der Freiheit, der nicht universell wäre, der die Unterdrückung derjenigen Bewohner des Gazastreifens durch die Hamas und derjenigen Bewohner der palästinensischen Autonomiegebiete im Westjordanland durch die Fatah zum Thema hätte, die nicht islamisch, männlich, heterosexuell und israelfeindlich sind. Wenn die Hamas in Gaza Oppositionelle hinrichtet, erschießt oder an Motorrädern zu Tode schleift, fordert kein emanzipativer Linker „Freiheit für Gaza“, sondern hält die Klappe oder redet von einem Freiluftknast oder einem Lager, das Israel in Gaza errichtet hätte, weswegen es natürlich auch für diese Taten im Endeffekt verantwortlich zu machen sei.

Es ist also durchaus kein Zufall, dass diese Leute nie von Freiheit, sondern lieber von „Emanzipation“ sprechen, das sich vom lateinischen Wort „emancipatio“ herleitet, das die Entlassung des Sohnes aus der väterlichen Gewalt bezeichnet. Während Freiheit einen Akt der Befreiung voraussetzt, jedem die Verantwortung aufbürdet, mit seiner Freiheit umzugehen, lässt man die Emanzipation über sich ergehen. „Freiheit für Palästina“ kann aus emanzipativer Perspektive kaum mehr sein als die Freiheit von jüdischer Herrschaft und Säuberung von jüdischem Einfluss. Die Menschwerdung des Palästinensers, sein Übergang vom auf den Endkampf getrimmten, antisemitischen Kollektivsubjekt zum Individuum, das sein Leben in einem möglichst weiten Rahmen selbst gestalten kann, ist in dieser Perspektive von vornherein ausgeschlossen. Ein souveräner Palästinenserstaat, der unter derart falschen Voraussetzungen entstünde, könnte nie mehr sein als ein 20fach vergrößerter Gazastreifen, ein Freiluftgefängnis für alle, die mehr sein wollen als Berufspalästinenser und Vernichtungskämpfer. Ob sie es offen sagen oder nicht, ob sie es wollen oder nicht: Das ist die Perspektive, auf die alle emanzipativen Positionen zum Nahostkonflikt hinauslaufen. Sie sind aus diesem Grund nicht nur antisemitisch, sondern auch antipalästinensisch, da sie die Befreiung der Palästinenser als Akt des Ausgangs aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit systematisch hintertreiben.

Einer, der noch nie Probleme hatte, offen auszuplaudern, was er vom Judenstaat hält, ist Arn Strohmeyer, Sonderbeauftragter des Landesverbands Bremen der Partei „Die Linke“ und des Bremer Friedensforums zur Endlösung der Israelfrage (ohne Partei- und vermutlich auch ohne Vereinsmitgliedschaft). Denn wie war das nochmal mit der Großdemonstration „Für Gerechtigkeit und Frieden in Palästina“, der die Bremer Linkspartei zugute hält, „dass es den Organisatoren gelungen ist, antisemitische Äußerungen auf der Demonstration weitgehend zurückzudrängen.“? Der erste Redner der abschließenden Kundgebung auf dem Bremer Marktplatz war kein geringerer als Arn Strohmeyer, der es sich nicht nehmen ließ, vor dem Publikum, aus dessen Reihen sich die Gewalttäter rekrutieren, die einen Bremer Linken brutal zusammengeschlagen haben, eine lupenrein antisemitische Hetzrede zu halten. Dieses Zeugnis beispiellosen Israelhasses, das auf Youtube zu finden und auf der Website des Bremer Friedensforums in Textform dokumentiert ist, überführt die Bremer Linkspartei und ihre „LandessprecherInnen“ Doris Achelwilm und Dr. Christoph Spehr sowie die Fraktionsvorsitzende der Linken in der Bremischen Bürgerschaft, Kristina Vogt, der glatten Lüge. Die ganze Veranstaltung war genuin antisemitisch motiviert und es wurden dort offen Positionen vertreten, die nichts anderes bezweckten als die Dämonisierung mit dem Ziel der Delegitimierung und damit letztendlich der Vernichtung Israels. Wer Strohmeyer als Hauptredner einlädt, muss wissen, was er bekommt: Jemanden, der den ehemaligen Mufti von Jerusalem, Amin al-Husseini, als tragische Figur ansieht, der sich mit den Nazis verbündete und Hitlers Endlösung der Judenfrage lediglich deswegen aktiv unterstützte, um das „Hauptmotiv seiner politischen Tätigkeit“ zu verfolgen, nämlich „die weitere jüdische Einwanderung nach Palästina zu verhindern, denn er sah deutlich die Gefahr, die diesem arabischen Land durch die Immigration von immer neuen Wellen jüdischer Immigranten drohte.“ Wer an diesen Worten einen xenophoben, antisemitischen und jeder linken Politik Hohn sprechenden Hassprediger erkennt, dem ist nicht zu widersprechen.

Eine Veranstaltung, die diesen Mann als Hauptredner aufbietet, um „Gerechtigkeit und Frieden in Palästina“ zu propagieren (von Israel ist hier schon allein deswegen nicht die Rede, weil Israel nach Ansicht dieser Leute gar nicht existieren dürfte und auch nicht existierte, hätte nur der Mufti von Jerusalem das Hauptmotiv seiner politischen Tätigkeit etwas effizienter verfolgt), ist bereits von vornherein ein massiv antisemitisches Statement. Man stelle sich vor, es wären lupenreine Nazis gewesen, die unter diesem Motto demonstriert und Israel dämonisiert und delegitimiert hätten – die Linke, end of road und die Gruppe NoLager, die gegen jeden Mini-Naziaufmarsch mobilisieren, wären vermutlich vor Aufregung kollabiert. Da nun aber ein paar Linke, Friedensfreunde und Mitglieder der Linkspartei wie der Bürgerschaftsabgeordnete Peter Erlanson dabei waren, als türkische und palästinensische Gruppen ihre Großdemonstration abhielten, nahm man es mit den Hetzreden nicht mehr so genau. Neben Strohmeyer sprachen übrigens der Imam Bektas Ömer, der von „Völkermord“ daherdelirierte und die Situation in Palästina zu einem „Problem für 1,5 Milliarden Muslime in aller Welt, die hier ihre heiligen Stätten haben, die aber nicht frei zugänglich sind“, erklärte und damit bereits klarmachte, dass Israel mit seinen wenigen Millionen Juden den 1,5 Milliarden Muslimen und ihren Ansprüchen zu weichen habe, sowie Salam El-Sara, der Vorsitzende der palästinensischen Gemeinde Bremens, der von einem „kriegerischen Angriff auf unser Volk“ sprach und sich somit vollends mit der Hamas solidarisierte. Da Ömer auf Türkisch und El-Sara auf Arabisch sprach, sind wir hier auf die Übersetzungen der Veranstalter angewiesen, für die wir keine Gewähr übernehmen können. Auch den Bremer Linken-Politikern könnte man ihre mangelnden Sprachkenntnisse zugute halten, wäre da nicht die Rede Strohmeyers gewesen, die keine Fragen offen ließ. Dort hieß es unter anderem:

Liebe Freunde, es ist wieder Mal ein furchtbarer Anlass, zu dem wir uns heute hier auf dem Bremer Marktplatz versammeln – wie schon so viele Male zuvor. Hunderte von Palästinensern – darunter viele Alte, Frauen und Kinder – mussten in den vergangenen Tagen sterben, weil Israel seine Kriegsmaschinerie wieder einmal auf ein so gut wie unbewaffnetes und wehrloses Volk losgelassen hat und im Gaza-Streifen einmarschiert ist. Ich sage unbewaffnet, denn die Palästinenser – auch die im Gazastreifen – leben unter Israels Besatzung und haben nicht einen einzigen Panzer, keine Flugzeuge, Kanonen und andere Kriegsgeräte, über die Israels Armee als die viertstärkste der Welt reichlich verfügt. Es findet dort kein Krieg zwischen zwei gleich starken militärischen Gegnern statt, wie uns hier oft eingeredet wird. Was Israel dort anrichtet, ist ein Massaker schlimmsten Ausmaßes, ein anderes Wort gibt es dafür nicht – das wievielte Massaker in der Geschichte beider Völker – muss man fragen, das Israel da begeht?

Strohmeyers Auslassungen zu Israel, das ist in Bremen wohlbekannt, basieren auf einer fundamentalen Auslassung: Das Ziel palästinensischer Terrororganisationen wie der Hamas, alle Juden umzubringen, das im Zentrum ihres Handelns und ihrer Politik steht, wird nicht einmal erwähnt. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine solche Auslassung kein Versehen ist, wie Strohmeyers Umgang mit der Biographie al-Husseinis zeigt. Sie ist Ausdruck des tiefen Einverständnisses mit dem Ziel der Vernichtung, das bereits den ebenfalls als Journalisten und Autor tätigen Vater Arn Strohmeyers, Curt Strohmeyer, umtrieb. Dieser war als überzeugter Nationalsozialist Redakteur der Zeitung „Das Reich“ und wurde von Hitler kurz vor Kriegsende als Hofberichterstatter auf den Obersalzberg gerufen. Arn Strohmeyer, der unter diesem Nazi-Vater und seinen Konflikten mit ihm offenbar stark zu leiden hatte, hat mit seinem Eintreten für die Palästinenser und ihr Ziel, jüdische Staatlichkeit und Existenz in Palästina zu verunmöglichen, ein Motiv gefunden, sich postum mit seinem Vater zu versöhnen. Man wird bei Strohmeyer nirgendwo, selbst dort, wo er Gestalten wie al-Husseini oder den israelischen Unabhängigkeitskrieg von 1948/49 behandelt, ein Wort darüber lesen, was offizielle Politik der Araber war: Die Liquidierung der „zionistischen Präsenz“, die Vernichtung Israels und die Ermordung der Juden. Da Strohmeyer sich aber exzessiv und geradezu obsessiv mit dem Konflikt befasst, ist es unmöglich, dass ihm diese Motive gänzlich unbekannt sind. Vielmehr hat Strohmeyer diese so sehr internalisiert, dass er gar nicht mehr fähig oder willens ist, sie zu reflektieren oder ans Bewusstsein zu bringen. Sie bilden vielmehr das Herzstück seiner antisemitischen Hetze gegen den jüdischen Staat – und wer sich das Youtube-Video zur Rede ansieht, der sieht, wie sehr Strohmeyer in der Rolle des großen Agitators aufgeht. Wer einmal dieses Motiv Strohmeyers entschlüsselt hat, dem fällt es leicht, die von ihm zusammengetragenen Fakten, Behauptungen, Propagandalügen und Hasstiraden zu lesen. Zur Illustration folgen einige besonders hässliche Beispiele aus seiner Rede:

Nun wird dem von den Israel-Verteidigern und den deutschen Medien so gut wie unisono entgegengehalten, und das ist ihr erstes Gegenargument: Aber die Raketen der Hamas! Man kann ja durchaus die Frage stellen, ob die Hamas sich und der Bevölkerung des Gaza-Streifens mit dem Raketenbeschuss auf Israel einen Gefallen getan hat? Und man kann finden, dass es sich damit keinen Gefallen getan hat. Aber man muss auch anmerken: Diese Raketen sind im Gegensatz zu den israelischen selbst gebaute und unwirksame Geschosse, die vielleicht Panik hervorrufen, aber so gut wie keine Schäden in Israel angerichtet haben. Ein einziger Israeli ist durch diese Raketen getötet worden. Aber ich will zu den Raketen der Hamas auch ganz klar sagen: Man darf hier nicht Ursache und Folgen verwechseln. Die Hamas-Raketen sind nicht die Ursache des gegenwärtigen Krieges, sondern der erbärmliche Zustand, unter dem die Palästinenser seit Jahrzehnten unter der brutalen israelischen Besatzung leben müssen!

Interessanterweise sagt Strohmeyer hier, was Bremer Linkspartei und die Gruppe NoLager meinen, wenn sie von einer „Person“ oder einem „Passanten“ sprechen, wenn davon die Rede ist, es habe jemand Verletzungen erlitten oder es sei zu einem Angriff gekommen, ohne von einem Angreifer zu sprechen. Bei Strohmeyer ist es nur ein einziger Israeli (was in diesem Zusammenhang geradezu bedauernd klingt), der nicht etwa durch einen Angriff auf zivile Ziele ermordet wurde, sondern bloß getötet wurde und dies auch nicht von Mördern bzw. Terroristen, sondern durch Raketen. Mit den Raketenangriffen ist einer wie Strohmeyer, der bedauert, dass die Hamas bzw. die Palästinenser nicht über effektive Massenvernichtungswaffen verfügen, prinzipiell einverstanden. Er bezweifelt lediglich, ob die Taktik sinnvoll ist und merkt an, dass man der Bevölkerung des Gaza-Streifens damit möglicherweise „keinen Gefallen getan“ habe. So geht einer, dem vermeintlich das Wohl der Palästinenser am Herzen liegt, darüber hinweg, dass die Hamas Raketen aus Schulen, Moscheen, Kindergärten und Wohngebieten abfeuert, Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht und dadurch den Tod zahlloser Menschen zumindest und für jeden ersichtlich mitverschuldet. Es ist vollkommen klar, dass einen wie Strohmeyer das Leid, dass der Krieg über Gaza bringt, im Grunde überhaupt nicht kümmert. Er plaudert es offen aus, wenn er die Frage, ob man Raketen abfeuern und damit die Bevölkerung des Gaza-Streifens einem vermeidbaren Krieg aussetzen sollte, mit der vollkommen verniedlichenden Frage abhandelt, ob das der Bevölkerung einen „Gefallen“ getan habe. Natürlich hat es der Bevölkerung keinen Gefallen getan, sondern zu etlichen unnötigen Toten und Verletzten geführt, von denen jeder Einzelne einer zu viel war. Darum kann es aber einem faschistischen Agitator wie Strohmeyer in seiner vollständigen Unmenschlichkeit schon lange nicht mehr gehen. Er denkt im Großen und im Ganzen, in völkischen Kategorien und Kollektiven:

Liebe Freunde, ich frage Sie hier: wer gibt Israel das Recht, ein ganzes Volk hinter Mauern und Zäunen wegzusperren – und dass aus dem einzigen Grund, dass es den Israelis gut geht und sie in Sicherheit leben wollen. Wer gibt ihnen das Recht dazu?

(…)

Israel verteidigt sich nicht gegen einen äußeren Feind, sondern gegen ein Volk, dessen Land es besetzt hat und das es hinter Mauern in Gefangenschaft und in Geiselhaft hält. Da kann man doch nicht das Recht auf Selbstverteidigung in Anspruch nehmen! Ganz im Gegenteil: Die Palästinenser haben nach dem Völkerrecht ein Recht auf – auch gewaltsamen – Widerstand, wenn er sich nicht gegen Zivilpersonen richtet.

(…)

Nur die Freiheit und Selbstbestimmung für die Palästinenser und eine einvernehmliche Koexistenz beider Völker können einen gerechten Frieden im Nahen Osten herbeiführen.

Strohmeyers Fortführung völkischer Vokabeln bestätigt, was Adorno bereits wusste: „Im dog­ma­ti­schen Be­griff des Volkes aber, der An­er­ken­nung des vor­geb­li­chen Schick­sals­zu­sam­men­hangs zwi­schen Men­schen als der In­stanz fürs Han­deln, ist die Idee einer vom Na­turz­wang eman­zi­pier­ten Ge­sell­schaft im­pli­zit ver­neint.“ Für Strohmeyer ist es exakt dieser Schicksalszusammenhang, dem die Menschen sich zu opfern haben, wenn er dem palästinensischen Volk ein Recht auf Selbstverteidigung zuspricht und Israels Politik die Verantwortung für Terror, Raketenangriffe und Vernichtungsfantasien zuweist. Es zeigt sich nirgendwo so sehr wie an der bedenkenlosen, unkritischen, affirmativen Verwendung des Volksbegriffs, wie wenig sich Arn von Curt gedanklich zu entfernen vermocht hat. Da wundert es auch nicht, dass er dem Vorwurf des Antisemitismus nichts entgegenzusetzen hat. Die gewalttätige Manifestation des Antisemitismus der israelfeindlichen Demonstranten in Bremen und anderswo kommentiert Strohmeyer folgendermaßen:

Und wenn es jetzt antisemitische Ausfälle bei Demonstrationen gegen den Gaza-Krieg gibt, ist das schlimm! Damit haben wir hier nichts zu tun! Aber ein Eintreten für Humanität, Menschenrechte und für das Einhalten des Völkerrechts hat nichts mit Antisemitismus zu tun. Wer das behauptet, macht sich selbst der Inhumanität und eines perversen Denkens schuldig! Das sollten wir aus unserer Geschichte gelernt haben! Man muss Kritik an Israels Politik und Antisemitismus sehr sauber auseinanderhalten.

Nochmals: Strohmeyer sagt dies im Wissen um die Tatsache, dass 10 Tage vorher ein Antifaschist ins Koma geprügelt wurde, von einem, der dem Bündnis angehört, zu dem er spricht. Er erwähnt diesen Vorfall mit keinem Wort, genausowenig die übrige Gewalt gegen Juden, Synagogen und friedliche Demonstranten. Wenn er Sprechchöre, in denen zur Vernichtung der Juden aufgerufen wird, die Juden zu Schweinen entmenschen, mit Nazis gleichsetzen oder als blutdürstige Kindermörder dämonisieren, zu „Ausfällen“ verniedlicht, dann wissen wir bereits, was Sache ist: Für ihn sind alle Antisemiten, die jetzt im Zuge des Gaza-Konflikts ihren Hass herausschreien und ihrer Brutalität freien Lauf lassen, im Grunde nichts als legitime Israelkritiker, die für Humanität, Menschenrechte und das Einhalten des Völkerrechts eintreten. Strohmeyer Junior verhält sich zu dem antisemitischen Schläger auf der Bremer Demonstration wie Strohmeyer Senior zum Waffen-SS-Mann. Und selbstredend sind auch bei Strohmeyer Junior immer die Juden und ihr Staat Schuld am Judenhass. Israel verfällt deswegen der Kritik, weil es antisemitische Mordbanden davon abhält, Juden zu ermorden. Diese kranke Irrenlogik bringt auf den Begriff, was diejenigen, die von „emanzipativen Positionen“ zum Nahostkonflikt daherschwafeln und eine „Selbst-​Be­schrän­kung auf »An­ti­se­mi­tis­mus«“, natürlich in Anführungszeichen, beklagen, auf ihre verdruckste Art und Weise sagen wollen, sich aber nicht mehr so Recht trauen, da sie bereits zu oft mit der Antisemitismuskeule verdroschen worden sind. Strohmeyers Fazit würden diese Freunde einer emanzipatorischen Perspektive auf den Nahostkonflikt aber sicherlich vorbehaltlos und ohne jede Einschränkung zustimmen:

Die mörderischen Kriege, die Israel ständig führt, bringen diesem Staat weder Sicherheit noch Frieden. Ganz im Gegenteil. Israels Zukunft wird dadurch immer unsicherer. In der Geschichte hat noch kein Staat überlebt, der in völliger Feindschaft mit seiner gesamten Umwelt lebte und nur auf die Stärke seiner Waffen setzte.

 

Deshalb meine Forderung: Schluss mit dem Massaker im Gaza-Streifen. Wir fordern hier ein sofortiges Ende des Krieges, das Ende der Besatzung, das Ende der Siedlungspolitik und die Aufhebung der Blockade des Gazastreifens. Wir fordern Freiheit und Gerechtigkeit für ein selbstbestimmtes Palästina neben einem friedlichen Staat Israel!

Während die Charta der Hamas sich auf den Gründer der Muslimbrüder, Hassan al-Banna, beruft und diesen mit den Worten „Israel wird entstehen und solange bestehen bleiben, bis der Islam es abschafft, so wie er das, was vor ihm war, abgeschafft hat“, zitiert, beruft sich Strohmeyer in ganz derselben Intention der Abschaffung, d.h. Vernichtung, auf die Geschichte. Dass aber gerade dann, wenn Geschichte etwas anderes sein sollte als eine verhängnisvolle Verkettung von Leid, Tod und Gemetzel, von Krieg, Genozid und Massenmord, gerade der Staat Israel gegen all seine Feinde Bestand haben müsste, ist genau das, was man all denen entgegenhalten müsste, die aller Kritik am Antizionismus und Antisemitismus zum Trotz nicht erkennen wollen, dass Kritik des Antisemitismus heute zwingend Solidarität mit Israel erfordert. Und dies gegen alle, die es im Namen des Islam, der Geschichte, der Vorsehung oder der Menschenrechte opfern wollen. Konsequenterweise soll dann auch, neben einem selbstbestimmten Palästina, was in der gegenwärtigen Lage auf ein Selbstbestimmungsrecht von Mördern, Terroristen und Antisemiten hinausläuft sowie auf eine Infiltration durch den weltweiten sunnitischen Djihadismus, ein „friedlicher Staat Israel“ existieren – wohlwissend, was einem friedlichen Staat in dieser Umgebung blüht, wie man an den wehrlosen, über keine moderne Armee verfügenden Christen und Yeziden im Nordirak und in Syrien sehen kann.

Aus diesen ungeheuerlichen Vorgängen in Bremen, aus einer antisemitischen Massenzusammenrottung in der Bremer Innenstadt, an der nach Angaben der Veranstalter ca. 5.000 Menschen teilnahmen, müssen die notwendigen Konsequenzen gezogen werden. Adorno schreibt in seinem Essay „Erziehung nach Auschwitz“:

Da die Möglichkeit, die objektiven, nämlich gesellschaftlichen und politischen Voraussetzungen, die solche Ereignisse ausbrüten, zu verändern, heute aufs äußerste beschränkt ist, sind Versuche, der Wiederholung entgegenzuarbeiten, notwendig auf die subjektive Seite abgedrängt. Damit meine ich wesentlich auch die Psychologie des Menschen, die so etwas tut. Ich glaube nicht, dass es viel hülfe, an ewige Werte zu appellieren, über die gerade jene, die für solche Untaten anfällig sind, nur die Achseln zucken würden; glaube auch nicht, Aufklärung darüber, welche positiven Qualitäten die verfolgten Minderheiten besitzen, könnte viel nutzen. Die Wurzeln sind in den Verfolgern zu suchen, nicht in den Opfern, die man unter den armseligsten Vorwänden hat ermorden lassen. Nötig ist, was ich unter diesem Aspekt einmal die Wendung aufs Subjekt genannt habe. Man muss die Mechanismen erkennen, die die Menschen so machen, dass sie solcher Taten fähig werden, muss ihnen selbst diese Mechanismen aufzeigen und zu verhindern trachten, dass sie abermals so werden, indem man ein allgemeines Bewusstsein solcher Mechanismen erweckt.

Zunächst einmal hieße die Wendung auf die subjektive Seite, die Antisemiten, die in Bremen und nicht nur in Bremen ihr Unwesen treiben, beim Namen zu nennen. Wenn es gegen Nazis geht, käme niemand auf die schwachsinnige Idee, ein Plakat mit der Aufschrift „Gegen jeden Nationalsozialismus“ hochzuhalten, sondern die Parole lautet schlicht: „Gegen Nazis“. Gegen den grassierenden Antisemitismus in Bremen ist zunächst einmal solide antifaschistische Arbeit gefragt, das Benennen antisemitischer Organisationen und Zirkel, die Denunzierung und Isolierung ihrer Lautsprecher und Scharfmacher. Es ist in diesem Zusammenhang keineswegs einzusehen, warum beispielsweise Arn Strohmeyer, Bektas Ömer und Salem Al-Sara sowie alle, die mit ihnen kooperieren, anders zu behandeln sind als die Nazis von Standarte und Kategorie C. Das würde zunächst einmal bedeuten, dass der Trägerverein der Villa Ichon Strohmeyer und seinen Kameraden vom Bremer Friedensforum endlich Hausverbot erteilt. Wer gegen Antisemitismus demonstriert, kann das Gesindel nicht in seinen Räumlichkeiten ein- und ausgehen lassen, das diesen in Bremen permanent verbreitet und sich damit mitschuldig am tätlichen Angriff auf einen Bremer Antifaschisten gemacht hat.

Sogar in Bremen ist mit dem Vorfall vom 12./13. Juli und den ausgebliebenen Reaktionen endgültig klar geworden, dass der Versuch, eine sinnvolle Kritik des Antisemitismus mit einer „emanzipativen Position“ zum Nahostkonflikt unvereinbar und folglich mit der Bremer Linken nicht zu haben ist, sondern sich primär explizit gegen diese zu richten hat. Die wenigen Gruppen und Einzelpersonen, die bereit sind, sich nicht nur gegen Antisemitismus auszusprechen, sondern Antisemiten zu bekämpfen und sich aus diesem Grund mit dem Staat Israel als antifaschistischer Gewalt solidarisch erklären, müssen sich endlich und ohne Wenn und Aber von einer Bremer Linken verabschieden, an der nichts zu retten ist und auf die sie selbst dann nicht zählen können, wenn einer der ihren brutal zusammengeschlagen wird.

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Israelsolidarität in Bremen – ein Ding der Unmöglichkeit?

Zur Kritik des Aufruftextes zur „Kundgebung gegen Antisemitismus“ auf dem Bremer Marktplatz am 22.07.2014 um 17h.

Hamas und israelkritische Weltöffentlichkeit haben ein Bündnis geschlossen, das auf folgender Arbeitsteilung basiert: Die einen liefern den anderen tote palästinensische Zivilisten, vorzugsweise Kinder. Dafür erhalten sie von den anderen Geld, Hilfsgüter und Waffen. Immer dann, wenn den einen das Geld oder den anderen die verbale Munition gegen den „Kindermörder Israel“ auszugehen droht, wird die Zahl der Raketen, die Hamas aus dem Gazastreifen auf israelische Zivilisten abfeuert, erhöht. Gleichzeitig hetzt die israelkritische Weltöffentlichkeit gegen jede Maßnahme, die Israel zur Verteidigung seiner Bürger ergreift, präsentiert jeden toten Palästinenser als Opfer jüdischer Rachsucht oder Ritualmorde. Wenn man so will, dann ist dies die „Spirale der Gewalt“, von der in Bezug auf den Nahen Osten so gern gesprochen wird. Israelkritik und Israelhass peitschen sich gegenseitig auf, mit jedem Terrorakt gegen Israel nimmt die Israelkritik zu, was wiederum die Unterstützung der Terrorgruppen und deren Bereitschaft zu Terrorakten erhöht. Am Ende dieser Spirale steht die Vernichtung Israels – sei es durch das iranische Atomprogramm, die Etablierung eines Terrorstaats in der Westbank oder durch den internationalen sunnitischen Djihadismus, der in Syrien und im Irak gerade massiv auf dem Vormarsch ist. Es muss also gelingen, diese Spirale zu unterbrechen, um das Schlimmste zu verhindern.

Nicht weil diese Erkenntnis neu wäre oder weil es eine große Denkanstrengung erforderte, sie nachzuvollziehen, sondern weil sie so banal ist, muss sie offenbar immer wieder neu gegen jene durchbuchstabiert werden, denen es primär gar nicht um Israel geht. Israel als Staat und der Zionismus als Projekt stehen im besten Sinne dafür, was Leute wie Moshe Zuckermann, der beliebteste israelische Stichwortgeber einer deutschen Linken von Sarah Wagenknecht und Inge Höger bis zu Gremliza und Ditfurth, ihnen vorwerfen: Für eine partikuläre Antwort auf die Universalität nicht nur der Shoah, sondern des Antisemitismus. Was der Vorwurf meint, ist klar: Die Zionisten instrumentalisierten Auschwitz, um ihre Verbrechen und die Existenz des Staates Israel zu rechtfertigen. Nie wird jedoch auch nur mit einer Silbe erwähnt, dass es keine universelle Antwort auf den Antisemitismus gegeben hat, dass es keinen Staat gab, der den Juden Schutz bot und niemand bereit war, gegen den Antisemitismus zu intervenieren. Die Gründung des Staates Israel als partikularer Staat der Juden sichert insofern heute die Möglichkeit, dass ein Universalismus überhaupt noch möglich ist. Israel ist zwar, was seine Institutionen, seine Armee, die Fehlbarkeit seiner Politiker und Bewohner betrifft, ein Staat wie jeder andere. Er kann jedoch als Versuch der revolutionären Abschaffung antisemitischer Verfolgung und der Überwindung eines Zustands, in dem man sich fürchten muss, sich als Jude erkennen zu geben, kein Staat wie jeder andere sein. Aus diesem Grund muss jede Bewegung und jede Einzelperson, die es mit Aufklärung, Fortschritt und einer besseren Gesellschaft hält, aus Prinzip mit Israel solidarisch sein.

Der Mord an drei israelischen Jugendlichen und der Raketenterror aus Gaza durch die Hamas (Im Aufruf ist, als handele es sich um ein Naturschicksal, für das niemand die Verantwortung trägt, von einer „erneuten Eskalation des Nahost-Konflikts“ die Rede) führt derzeit zu einer antisemitischen Eskalation auf den Straßen, die ohne einen ideologischen Geleitschutz aus der israelkritischen Öffentlichkeit dieses Landes unmöglich gewesen wäre. Wenn Demonstranten in Berlin vor einer Synagoge „Jude, Jude feiges Schwein – komm‘ heraus und kämpf allein!“ brüllen, dann fordern sie nichts substantiell anderes als Günter Grass, Jakob Augstein, Arn Strohmeyer, Michael Lüders, Jürgen Todenhöfer und Nahost-Korrespondenten wie Inge Günther, Susanne Knaul und Peter Münch.

Sie alle werfen Israel vor, gegen diejenigen, die es vernichten wollen, sich in einer relativen Position der Stärke zu befinden und sich weder abschlachten zu lassen noch den heroischen Kampf Mann gegen Mann zu suchen. Wenn Israel Angriffe auf seine Bürger unterbindet, dann ist ihnen dies maßlos, unverhältnismäßig, folgt einem Gesetz der Rache und so weiter. Die derzeitigen Querfront-Demonstrationen, die Linke, Rechte, Islamisten und Bürger mit Migrationshintergrund vereinen, werden von einer gesellschaftlichen Mitte angefeuert, der jede israelische Selbstverteidigung eine Gefährdung des Weltfriedens ist, der das Schlachten in Syrien und im Irak aber kaum Anlass zu Empörung und mitnichten Motivation zu gemeinsamen Solidemos bietet, denen also Krieg und Leid immer genau so lange am Arsch vorbei gehen, wie sie nicht den Juden angelastet werden können.

Es gibt zwei falsche Deutungsmuster der derzeitigen antisemitischen Manifestationen, die sich inzwischen offen und eindeutig gegen Juden und jüdische Einrichtungen richten und diese umstandslos mit Israel identifizieren. Beide Deutungsmuster sind im Grundsatz rassistisch, da sie den Migranten, die sich an solchen Demonstrationen beteiligen und die antisemitische Parolen grölen, jede Verantwortung absprechen. Das rechte, islamfeindliche Muster lautet: „Diese Menschen können und wollen sich hier nicht integrieren und gehören abgeschoben!“ Das linke, menschenfeindliche Muster geht davon aus, dass Migranten als Opfer der Verhältnisse und der rassistischen Mehrheitsgesellschaft entschuldigt seien und damit quasi eine Art Freifahrtschein für Hassparolen hätten, die ihrem „Zorn“ entsprängen. Dass es vielmehr ein Zeichen gelungener Integration sein könnte, wenn junge Migranten das Geschreibsel älterer Deutscher in die „Sprache der Straße“ übersetzen, ist als Gedanke offenbar ebenso verpönt wie der, jeden Nazi gleich zu behandeln, egal welcher Abstammung.

Der Grund, aus dem sich die Staatsmacht aber so nachsichtig gegenüber diesen antisemitischen Demonstrationen und sogar den dort regelmäßig zu beobachtenden Gewaltausbrüchen zeigt, ist derselbe, aus dem die Antifa keinen substantiellen Protest organisiert bekommt: Es gibt zur staatsoffiziellen Israelkritik keine nennenswerte Opposition, die sich die Solidarität mit Israel auf die Fahne schreibt. Es ist daher mehr als befremdlich, wenn in Zeiten, in denen Menschen Angst haben müssen, sich als Juden und Israelis erkennen zu geben, in denen das Bündnis aus antisemitischem Mob und israelkritischen Eliten fröhliche Urstände feiert, in einem Demonstrationsaufruf darum gebeten wird, ausgerechnet das Tragen von „Nationalfahnen“, womit natürlich die Israelfahne gemeint ist, zu unterlassen.

[Der Aufruf kursiert in zwei Versionen: „Wir bitten auf das Tragen von Nationalfahnen zu verzichten“ wurde geändert zu „Wir bitten zu beachten, dass es im Bündnis keinen Konsens gibt, was das Zeigen von Nationalfahnen bei der Kundgebung betrifft.“]

Die Israelfahne ist das Symbol, mit dem man beide Seiten des Bündnisses gegen Israel am klarsten konfrontiert. Man macht damit dem Mob deutlich, dass es durchaus noch Menschen gibt, die bereit sind, sich ihm entgegenzustellen und für die Gegenseite Partei zu ergreifen, die für Israels Recht auf militärische Selbstverteidigung, auf Terror-Schutzzäune und für das Recht auf jüdisches Leben eintreten, ob in Hebron, Jerusalem, Tel Aviv oder Bremen.

Gleichzeitig wird den ideologischen Scharfmachern, den hauptamtlichen Israelkritikern, eindeutig signalisiert, dass ihr Gift nicht bei allen verfängt, dass es durchaus noch Menschen gibt, die bereit sind, sie mit der „Antisemitismuskeule“ zu verdreschen, wenn sie aus ihrer Mördergrube kein Herz machen.

Der Verzicht auf das Tragen von Israelfahnen zeigt, dass man offenbar bereit ist, der Kritik des Antisemitismus jeden Schwung zu nehmen. Bereits Horkheimer/Adorno hatten festgestellt, dass es keinen mehr gibt, der sich als Antisemiten bezeichnet. Heute ist man lieber mit gutem Gewissen Antizionist, Israelkritiker oder ganz grundsätzlich Antinationalist, ohne beim Staat Israel eine Ausnahme formulieren zu können. Für Deutschland gilt aber, nachweislich der Schriften und Reden von Alfred Rosenberg und Adolf Hitler, dass jeder Antisemit auch Antizionist sein muss und umgekehrt, dass zwischen Antisemitismus und Antizionismus nicht sinnvoll unterschieden werden kann. Deswegen ist eine Kritik des Antisemitismus unmöglich, die sich nicht auch und zugleich mit Israel solidarisch erklärt.

Dass das Bremer Bündnis gegen Antisemitismus in dieser Frage „keinen Konsens“ herzustellen vermag, stellt den Sinn dieser Kundgebung und die Berechtigung des Bündnisses grundlegend in Frage, muss dies doch als Warnung an alle verstanden werden, die sich offen zu Israel bekennen. Wenn man also aus Prinzip nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, ein demonstratives und kollektives Zeichen der Solidarität mit Israel zu setzen, das angesichts der momentanen Kräfteverhältnisse bereits darin bestehen könnte, sich zumindest gemeinsam vorzunehmen, vor dem Mob nicht zurück zu weichen, sondern entschlossen „zusammen“ zu stehen, dann sollte man es lieber lassen, die Kundgebung absagen, das Bündnis einstampfen.

Wir wollen aber wohlwollend annehmen, dass die nachträgliche Veränderung des Aufrufs, in der die Bitte, auf Nationalfahnen zu verzichten, zurückgezogen wurde (und nun ärgerlicherweise auf den nicht vorhandenen Konsens verwiesen wird) in die richtige Richtung geht. Den Banalitäten der Israelsolidarität gerecht zu werden, hieße sich über jede Israelfahne auf der Kundgebung zu freuen und diese lächerliche Debatte um „Nationalfahnen“, die die Linke seit 10 Jahren beschäftigt, endlich zu beenden. Mit wem eine israelsolidarische Demo mit Israelflaggen nicht zu machen ist, der möge eben zuhause bleiben.

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Die Unverträglichkeit des Wutbürgers

Zeit Online weiß über die Bewohner dieses Landes folgendes zu berichten:

Die Sorge, sich falsch zu ernähren, greift um sich: Viele Deutsche glauben, Gluten, Laktose oder Fruktose mache sie krank. Tatsächlich leiden nur wenige wirklich an einer Lebensmittelunverträglichkeit.

So dürfte jeder Linke zumindest eine Person kennen, die ihre Essstörung offensiv propagiert und unter Labeln wie Vegetarier, Pescetarier, Straight Edge, Fruktarier, Veganer segelt oder die zumindest felsenfest davon überzeugt ist, mit einer speziellen Diät oder dem Verzicht auf bestimmte Nahrungsmitteln ihrer Gesundheit zu dienen. Zeit Online resümiert:

Noch vor zehn Jahren waren Verdauungsvorgänge ein Tabuthema bei Tisch, heute breitet sich beim gemeinsamen Essen die neue Innerlichkeit aus. Jedes Grummeln im Magen, jedes Ziehen im Bauch wird diskutiert und mit ernster Miene kategorisiert. Wer alles klaglos hinunterschluckt und verdaut, sitzt dazwischen wie ein Klotz: unsensibel, unreflektiert – kurz: von gestern.

Das Gefühl, nicht richtig zu ticken, weil man Fleisch, Laktose, Histamin, Gluten und alles andere verzehrt, was auf den Tisch kommt, kann einem in der falschen Gesellschaft schon einmal kommen.

So ist der Markt für laktosefreie Produkte in den vergangenen Jahren enorm gewachsen. Kauften 2007 nur 6,5 Prozent der Haushalte derartige Milchprodukte, waren es 2012 schon knapp 18 Prozent. Das ergab die jährliche Befragung von 30.000 Haushalten durch die Gesellschaft für Konsumforschung. Viele, die angegeben hatten, laktosefreie Milchprodukte zu kaufen, verneinten gleichzeitig die Frage der Marktforscher nach einer Laktoseintoleranz. Wie viele Konsumenten glutenfreie Produkte kaufen, ist in Deutschland nicht bekannt. In den USA zeichnet sich jedoch ein deutlicher Trend ab: 28 Prozent der Erwachsenen gaben 2012 bei einer Befragung des Marktforschers NPD Group an, kaum oder gar kein Gluten mehr zu verzehren. Dabei leidet weniger als ein Prozent der Bevölkerung tatsächlich an Glutenunverträglichkeit.

Auf die Frage, was dieser Ernährungsunsinn bedeuten soll, weiß Zeit Online, neben der üblichen Schuldzuweisung an die Werbeindustrie, drei verschiedene gesellschaftliche Entwicklungen zu benennen:

Erstens: Gesundsein ist Bürgerpflicht. Und es gehört zum guten Ton, die Bewusstwerdung des eigenen Körpers öffentlich zu machen. Wer per Jogging-App seine wöchentliche Laufleistung über die Sozialen Netze jedem noch so entfernten Bekannten triumphierend aufs Mobiltelefon schickt, entwickelt auch beim Wettlauf um die gesündeste Ernährung einigen Ehrgeiz – und spricht darüber.
Zweitens: Unterstützt wird der Hang zur Selbstdarstellung durch einen wachsenden Boom der Innerlichkeit. Yoga ist zum Volkssport geworden. „Achtsamkeit“ ist der neue Trend des Innehaltens und In-sich-Hineinlauschens. Da wird so manches kaum vernehmliche Verdauungsgeräusch zum warnenden Fingerzeig.
Drittens: Die nicht abreißende Kette von Lebensmittelskandalen hat die Verbraucher tief verunsichert, was zu der fälschlichen Annahme führt, dass da weniger Gefahren lauern, wo weniger drin ist. War früher „cholesterinfrei“ oder „fettfrei“ ein Qualitätssiegel, so haben die Hersteller das Marketing des Weglassens inzwischen auf die Spitze getrieben: laktosefrei, glutenfrei, fruktosefrei. All das gibt es jetzt auch.

Während Zeit Online im Folgenden das „Sensibelchen“, die „Prinzessin auf der Erbse“ und den „picky eater“ nicht besonders ernst nimmt, sondern vor allem als Resultat von Marketingstrategien erscheinen lässt und dies vermutlich für „Gesellschaftskritik“ hält, lohnt es sich, bei diesen drei Punkten zu bleiben und die zugrundeliegenden Bedürfnisse zu beleuchten. Werbung, und das eint sie mit Ideologie, muss den Menschen schließlich etwas versprechen, ihnen also etwas anzubieten haben, wovon sie sich etwas erhoffen können. Nun zeichnet sich der wutbürgerliche Wahn, der von Zeit Online hier als „Innerlichkeit“ charakterisiert wird, dadurch aus, dass innerleibliche Zustände nach demselben Schema beurteilt werden wie die äußerliche, der Erfahrung kaum mehr zugängliche Realität. Der Wutbürger hält nicht nur die Welt, sondern vor allem eben auch sich selbst für krank, er fühlt sich durch den Schmutz, die moralische Verkommenheit und nicht zuletzt durch die Nahrung schleichend vergiftet. Zeit Online missversteht diese Tendenz systematisch, wenn dieses permanente „In-sich-Hineinlauschen“ als Ausdruck eines „hochgezüchteten“ Individualismus betrachtet wird. Denn das permanente Kreisen um die eigene Person und Befindlichkeit besitzt natürlich keine individuelle Komponente, sondern ist Ausdruck einer massenhaften Vereinzelung, des zunehmenden Verlusts des Kontakts zur Außenwelt.

Mit Fitnesstraining, Yoga und Gesundheitswahn versucht das Subjekt verzweifelt, dem Tempo der Kapitalakkumulation schrittzuhalten, den an es gestellten Anforderungen, die in erster Linie als Herausforderungen oder Bedrohungen wahrgenommen werden, gerecht zu werden. Wird aber Gesellschaft zuallererst als ein Konzept verstanden, in dem es permanent Prüfungen zu meistern gilt, in dem diejenigen sich durchsetzen, die sich unermüdlich nach oben kämpfen, so wird dieses Schema zwangsläufig auch auf die Innenwelt der Subjekte übertragen, so wird das tägliche Training und die tägliche Ernährung zur Kampfhandlung, der es sich mit größtmöglicher Beharrlichkeit zu widmen gilt. Das trifft selbst dort zu, wo über Entschleunigung, Entspannung und Innehalten gesprochen wird, denn dies meint im Kern dasselbe, nur in umgedrehter Form. Wer in der täglichen Produktionsschlacht seinen Mann stehen sollte, der brauchte Kraft durch Freude, und wer jeden Tag kreative Höchstleistungen in einer Werbeagentur vollbringt und nebenbei für den Marathon trainiert, muss sich auf der Yoga-Matte entspannen oder sich mit einem Soy Caffè Latte belohnen.

Bereits der Führer persönlich betonte als einen der Vorzüge vegetarischer Ernährung das größere Durchhaltevermögen, die größere Beharrlichkeit von Pflanzen- gegenüber Fleischfressern. Es wird berichtet, er habe bei Tisch ausschweifende Vorträge darüber gehalten, dass das Pferd zu stärkeren Leistungen in der Lage sei als der Hund, dass das Kamel länger laufen könne als der Löwe. Was der Führer noch wusste, ist heute unter den Apologeten vermeintlich besserer Ernährung Gemeingut. So dürfte es vermutlich kaum einen Veganer geben, der keinen minutenlangen Monolog über die Vorzüge seiner Lebensführung zu halten wüsste. Abgesehen davon, ob die Fakten stimmen oder nicht, ist ganz offenkundig der Placebo-Effekt solcher Selbstüberredungen der entscheidende Punkt, ist der unumstößliche Glaube an die Richtigkeit des eigenen Tuns der Motor, der solche Menschen besonders geeignet für Arbeit in der Dienstleistungsgesellschaft macht.

War Übergewicht früher ein Statussymbol, so gilt es heute als Unterschichtphänomen, als Zeichen dafür, zum Prekariat zu gehören und nicht zu den nimmermüden Leistungsträgern. Die permanenten Diäten sind ebenso wie die zahllosen eingebildeten Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten Ausdruck einer Unfähigkeit des Bürgers zum Genuss, der nach der Kunst auch die Ernährung längst erreicht. Bereits das Wort der Unverträglichkeit drückt aus, in welchem Zustand der heutige Wutbürger zu seiner Außenwelt steht. Seine Unverträglichkeit funktioniert wie die tatsächliche Lebensmittelunverträglichkeit: Stößt der Wutbürger auf gesellschaftliche Prozesse, die ihm unverständlich bleiben, schlägt er aus. Es ist insofern nur konsequent, dass er dies konsequent auf sein Innenleben überträgt, indem er sich zahllose tatsächliche oder eingebildete Lebensmittelunverträglichkeiten zuzieht.

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Bremer Zustände Teil 6 – Arn Strohmeyer und die Tragik des Mohammed Amin al-Husseini

Dass linke Palästina-Freunde nicht gern vom arabischen Antisemitismus sprechen, ist ein bekanntes Phänomen. Die Motive derer, für die sie sich so selbstlos einzusetzen vorgeben, spielen schon deswegen keine Rolle, weil sie bloße Projektionsfläche für die eigenen, auf Vernichtung der Juden und ihren Staat gerichteten Mordphantasien sind. Wird dann doch mal ein Wort darüber verloren, dann nur, um vor „Scharfmachern“ oder „Extremisten“ auf beiden Seiten zu warnen oder im arabischen Antisemitismus eine Art Notwehr gegen zionistische Aggression, eine einigermaßen verständliche Reaktion auf zionistischen „Landraub“ erkennen zu wollen. Antizionismus halluziniert also wie jeder andere Antisemitismus eine Notwehr-Situation herbei, die es erlaubt, zur mörderischen Tat zu schreiten.

Einen entscheidenden Schritt weiter ist man bekanntlich in Bremen, wo Arn Strohmeyer, der parteilose Sonderbeauftragte des Landesverbandes Bremen der Partei „Die Linke“ für die Endlösung der Israelfrage, sein wüstes antisemitisches Unwesen treibt. In seiner im „Palästina-Portal“ erschienenen Rezension des Buches „Die Araber und der Holocaust“ von Gilbert Achcar kommt er zunächst zu dem erwartbaren und insofern klassisch linken Fazit, das bereits die Überschrift „Ohne den Zionismus gäbe es keinen arabischen Antisemitismus“ verrät. Aber Strohmeyer wäre nicht Strohmeyer, wenn er es dabei bewenden ließe. Denn nach allerlei unerheblichen Gerede kommt er unvermittelt auf die zentrale Figur des palästinensischen Antisemitismus zu sprechen, nämlich auf Amin al-Husseini, den Mufti von Jerusalem. Wie üblich macht Strohmeyer aus seiner Mördergrube kein Herz, wenn er über die üblen Zionisten und den berechtigten Hass auf sie schreibt:

Wenn der aus Deutschland kommende Judenhass und Antisemitismus im arabischen Raum Verbreitung fand, dann muss dies als Folge des sich zuspitzenden Konflikts zwischen Arabern und Zionisten in Palästina gesehen werden.

Die Legende, der Judenhass sei aus Deutschland quasi in die arabische Welt eingeführt worden, muss sogleich die Behauptung an die Seite gestellt werden, es habe sich um eine Folge eines sich zuspitzenden Konfliktes zwischen Arabern und zu Zionisten entmenschten Juden gehandelt. So suggeriert Strohmeyer, der arabische Mob, der z.B. im August 1929 in Hebron ein Pogrom abhielt, habe fein säuberlich in Zionisten und Nichtzionisten selektiert und nicht etwa ausnahmslos jeden Juden massakriert, den er finden konnte.

Ohne diese Auseinandersetzung und die gewaltsame Eroberung Palästinas durch die Zionisten hätten antisemitische Stereotypen und Ideologeme wohl kaum eine Chance zur Entfaltung im arabischen Raum gehabt.

Nun könnte man natürlich fragen, ob Strohmeyer nicht weiß, dass antisemitische Pogrome und das Bündnis des Muftis mit dem Führer der Gründung des Judenstaates vorausgegangen waren, was aber vollkommen sinnlos wäre. Denn für Strohmeyer ist bereits die Idee des Zionismus verbrecherisch, der aus den Nationalbewegungen und dem sich zuspitzenden Antisemitismus im 19. Jahrhundert die Konsequenz zog, dass auch die Juden ihren Staat benötigten. Genau hier ist Strohmeyers Konstruktion dieselbe wie die der Nazis und des Muftis: Den Juden wird es schlicht nicht zugestanden, als Konsequenz aus dem immer virulenter werdenden Antisemitismus einen eigenen Staat zu gründen, sie ist also lupenrein antisemitisch und folgt dem Argumentationsmuster führender Nazis.

Lange Passagen seines Buches widmet Achcar der Hauptfigur auf palästinensischer Seite in diesen für den Nahen Osten so wichtigen 1930er und 40er Jahren: dem Mufti von Jerusalem Amin al-Husseini. Das Hauptmotiv seiner politischen Tätigkeit war es zweifellos, die weitere jüdische Einwanderung nach Palästina zu verhindern, denn er sah deutlich die Gefahr, die diesem arabischen Land durch die Immigration von immer neuen Wellen jüdischer Immigranten drohte. Dass er sich, um dieses Ziel zu erreichen, mit dem „Teufel“ verbündete, also zum Komplizen und Kollaborateur der Nazis wurde und auch über den Völkermord an den Juden informiert war und ihn ganz offensichtlich auch billigte, macht die Tragik und Schande dieses palästinensischen Führers aus. Der Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, hatte ihn im Sommer 1943 zum Mitwisser gemacht. Der Mufti hoffte darauf, dass Hitler nach dem deutschen Sieg im Krieg die sogenannte jüdische nationale Heimstätte in Palästina vernichten werde und berief sich dabei auf deutsche Zusagen.

Man merke: Einer, der die nach Palästina eingewanderten Juden allesamt massakrieren wollte, war im Grunde nur ein fehlgeleiteter Widerstandskämpfer, der deutlich die Gefahr für dieses Land mit Arabernachweis sah, die von jüdischen Einwanderungswellen ausging. Wer das schreibt, der muss ohne wenn und aber als Nazi, als eliminatorischer Antisemit ersten Ranges bezeichnet werden. Denn die Juden, die da einreisten, das waren diejenigen, die durch ihre Einreise Strohmeyer senior und seinen Mordkomplizen noch einmal entkommen konnten. Wer sie als Gefahr begreift und die Abwehr dieser Gefahr mit allen Mitteln, der Verhinderung der Einreise von Juden auf der Flucht vor ihren Mördern, des Massakers bis hin zur Unterstützung der Nazis aus voller Überzeugung als „politische Tätigkeit“ bezeichnet, der ist Schreibtischtäter und Komplize der Mörder. Die Hoffnung des Muftis, die Strohmeyer teilt, war die, dass nicht nur die „Heimstätte“, sondern ganz konkret die Juden, die im palästinensischen Mandatsgebiet lebten, vernichtet werden sollten. Dass dieser Mufti, der sein ehrenwertes Ziel eines judenreinen Palästinas nicht erreicht hat, in Strohmeyers Augen eine tragische Figur ist, leuchtet ein – man fragt sich lediglich, worin die Schande dieses Mannes bestanden haben soll, der sich doch nur in einem legitimen Abwehrkampf gegen jüdische Einwandererhorden befunden hat?

Man kann es drehen und wenden wie man will: Gegen die Einwanderung keiner Gruppe in kein Land dürfte einer, der bei der Linkspartei wohlgelitten ist, sich derart xenophobe Vernichtungsphantasien erlauben. Die Linkspartei in Bremen aber hält sich diesen Antisemiten und auch das Bremer Friedensforum, das so großen Wert darauf legt, zu einer Veranstaltung von Strohmeyer nicht aufgerufen zu haben, wirft diesen Mordhetzer und Nazisympathisanten keinesfalls hochkant raus. In Bremen kann sich so einer alles erlauben und die linke Gemeinde feiert ihn dafür.

Die Rolle des Mufti war verhängnisvoll und nicht entschuldbar, daran lässt Achcar gar keinen Zweifel. Eine ganz andere Frage aber ist, wie groß sein politischer Einfluss wirklich war und ob sein politisches Wirken sich dafür eignet, den Palästinensern eine Mitschuld an der Ermordung der europäischen Juden zu geben, wie es zionistische und neokonservative Ideologen bis heute tun und noch die Gleichung anhängen: Die Palästinenser sind die neuen Nazis, die Israel vernichten wollen.

Dass al-Husseinis Wirken und seine bis heute ungebrochene Verehrung unter palästinensischen Arabern selbstredend sowohl für eine Mittäterschaft am Holocaust als auch die Kontinuität des palästinensischen Antisemitismus sinnbildlich ist, muss einer wie Strohmeyer nur deshalb leugnen, weil seine publizistischen die Fortsetzung der politischen Tätigkeiten des Muftis sind.

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Verfolgende Unschuld

Bremen, 1. Mai 2013. Die Sonne scheint und das Viertel ist voller Zombies der radikalen und gemäßigten Linken, von Linksjugend bis SAV, von MLPD bis verdi: Alle sind sie da. Am GEW-Stand stehen überwiegend ältere, graubärtige Männer, einer von ihnen spielt auf der Klampfe: „Und diese Blume, so sagen alle, o bella ciao bella ciao bella ciao ciao ciao, ist die Blume, des Partisanen, der für unsere Freiheit starb!“ Und die ergrauten Alt- und Post-68er, Ex-K-Grüppler, Linksgrüne, Gegenstandpunkt- und Junge Welt Abonnenten verdrücken eine Träne. Ach, war das schön damals, als man sich im todesmutigen Kampf für die Freiheit wähnen durfte.

Selbstkritik hat nicht stattgefunden, die alten Männer flüchten sich in bierselige Nostalgie. Menschen, die sich einen Restbestand von Empathie bewahrt haben, müssen solche Zombieaufläufe peinlich berühren. Doch während man zum Beispiel Wolfgang Pohrt anmerkt, dass das Scheitern des Revolutionsversuchs von 1967ff Spuren hinterlassen hat, so muss man wohl im Übrigen konstatieren: Seine Erfahrung des Scheiterns ist die Ausnahme in einer Welt (und, so müsste man hinzufügen, erst Recht in einer Stadt) der Erfahrungslosigkeit. Man geht weiterhin hinaus zum ersten Mai und malt weiterhin steindumme (Eine mittelalte Mutter: „Meine Arbeit ist Mehrwert!“) oder unlustige (Linksjugend solid: „Für eine Welt ohne Sparschweine!“) Parolen auf Transparente, ganz so als stünde die Revolution bevor.

Dieses bizarre Schauspiel, das sich „Revolutionärer erster Mai“ nennt, wird Jahr für Jahr in deutschen Großstädten und Bremen aufgeführt. Später, wenn die Opas von verdi und GEW im Bierkoma liegen, darf der schwarze Block schon einmal an der Sielwallkreuzung den kommenden Aufstand proben , der garantiert von jedem menschenfreundlichen Gehalt befreit wurde und sich von der puren Lust an der Gewalt, wie sie ordinäre Hooligans praktizieren, nicht mehr unterscheidet. Die jährliche Wiederholung der immergleichen Farce, deren einzig variable Größe das die Teilnehmerzahl und Laune bestimmende Wetter ist, ist die logische Konsequenz der Erfahrungs- und damit Geschichtslosigkeit der Linken.

Bekanntlich ist Bremen auch die Stadt, in der Linke besonders ausgiebig gegen die Juden und ihren Staat Israel hetzen. Bereits die Textverfälschung des italienischen Partisanenlieds, in dem der Partisan für die Freiheit starb und nicht, wie in der Version des Bremer Lehrers, für unsere, gibt den entscheidenden Hinweis: Als die wahren Opfer des Nationalsozialismus sahen sich schon immer die nach 1945 geborenen Linken, obwohl (oder weil?) die überwältigende Mehrheit ihrer Eltern zu denen gehörten, gegen die die Freiheit verteidigt werden musste. Wird aber die Freiheit, die universell, unteilbar ist, in unsere verkehrt, dann ist klar: Der Partisan kämpfte nicht etwa auch dafür, Vernichtungskrieg und Massenvernichtung zu beenden, sondern dafür, dass alte Lehrer am ersten Mai am GEW-Stand Gitarre spielen, Partisanenlieder singen und Bier trinken können.

Denn dort, wo es eben nur um unsere statt um die Freiheit geht, da war der Krieg gegen die Nazis nur insofern gerechtfertigt, als er uns Deutschen Wirtschaftswunder, Wohlstand, Demokratie und Linkspartei gebracht hat. Keineswegs kann es ein legitimes Kriegsziel gewesen sein, den Holocaust zu beenden, weswegen auch immer betont werden muss, dass es den Amerikanern darum schon gleich gar nicht ging. Und erst Recht ist dort, wo der Partisan besungen wird, kein Platz für die namenlosen IDF-Soldaten, die für die Freiheit kämpfen und sterben, dass sich dergleichen nie wiederholen dürfe.

Mit großer Sicherheit sind sie heute auf der Straße: Arn Strohmeyer, das Bremer Friedensforum, sämtliche Israelhasser der Bremer Linkspartei, die Antikapitalistische Linke, der Gesprächskreis Nahost und all die anderen Bremer Gruppen, die nichts schlechteres zu tun haben, als permanent gegen Israel zu hetzen und sich noch als verfolgte Unschuld aufzuführen. Dass der Nationalsozialismus, die Nürnberger Gesetze, die Reichspogromnacht, der zweite Weltkrieg, die Wannsee-Konferenz und der Holocaust einschneidende historische Ereignisse waren, die ein zurück zu alten linken Bezugnahmen auf Völker verbieten und ein Anschlag auf die Freiheit waren, werden sie nie begreifen. Für sie geht es um die Freiheit der Juden, nicht um unsere, und dieser kann ganz simpel die der Palästinenser entgegengestellt werden, da gibt es halt verschiedene Narrative und Diskurse und wie der ganze Schwachsinn noch so weitergeht.

Da aber, wo es um die Freiheit geht, muss man vielmehr feststellen, dass der Kampf, den GI, Rotarmist und Partisan gegen die Nazis geführt haben, heute nicht weniger notwendig ist, um einer erneuten Judenvernichtung vorzubeugen. All die Aussagen des iranischen Regimes, palästinensischer Terroristen und anderer Islamisten stehen in ihrer Deutlichkeit den Aussagen der Nazis in nichts nach und die IDF ist heute, in Zeiten eines US-Präsidenten, der gegen die Massaker in Syrien nichts unternimmt, vielleicht die letzte Gruppe, die sich positiv auf den Partisanen berufen könnte, der für die Freiheit starb. Nicht zufällig ist es das zentrale Motiv aller Israelfeinde hierzulande, den eliminatorischen Antisemitismus seiner islamistischen Gegner zu verleugnen, wegzulügen oder zumindest zu rationalisieren.

Der unumstrittene Großmeister dieser Disziplin ist, zumindest im Mikrokosmos Bremen, der Sonderbeauftragte des Landesverbands der Partei Die Linke für die Endlösung der Israelfrage (ohne Parteibuch), Arn Strohmeyer. Im Nachklang zu seiner antisemitischen Veranstaltung am 9. April, zu der Juden keinen Zutritt hatten und die von palästinensischen Schlägern gesichert wurde, beschwert er sich ausgiebig unter Erwähnung einiger Kritiker über die massive Verfolgung, der er ausgesetzt sei. Lediglich das Aktionsbündnis gegen Wutbürger, das sich ausführlich mit seiner Israel-Obsession auseinandergesetzt hat, spart er aus, was insofern nur konsequent ist, als er versucht, die Kritik seiner Umtriebe auf juristischem Wege unschädlich zu machen. Es ist also nicht verwunderlich, dass er die Kritik ignorieren muss, um die Lüge verbreiten zu können, es gebe keine inhaltliche Auseinandersetzung mit seinem Israelhass. Bereits aus seiner Darstellung der Vorfälle wird deutlich, wie verfolgt sich die Unschuld aus Woltmershausen fühlen muss:

Aufregung im Blätterwald von BILD bis zur taz und der Jüdischen Allgemeinen: In Bremen soll ein israelisches Paar von einer Vortragveranstaltung über Antisemitismus ausgeschlossen worden sein. Was war passiert? Am Anfang des Bremer „antisemitischen“ Skandals stand eine Buchrezension. Der angesehene Bremer Sozialwissenschaftler Professor Rudolph Bauer hatte eine Rezension über das Buch „Wer rettet Israel? Ein Staat am Scheideweg“ geschrieben, das vom Verfasser dieser Zeilen stammt. Die Rezension durfte einige Tage auf der Webseite der Bremer Linkspartei stehen, dann kam aus der Berlin Parteizentrale die Anweisung: runternehmen! Was einer der Redakteure auch brav befolgte, obwohl er das gar nicht musste, denn die Landesverbände sind in dieser Hinsicht autonom.

Dann folgte ein übler Hetzartikel im „Stürmer“-Stil in der BILD-Zeitung, die deren Mitarbeiter Jan Philipp Hein verfasst hatte, der zugleich „Kopf“ und Antreiber der neokonservativen Bremer „Antideutschen“ ist. Die Schlagzeile lautete: „Wie viel Nazi-Sympathie steckt in den Bremer Linken? Zwei Israel-Hasser bekommen immer wieder ein Forum auf der Parteihomepage“. In dem Artikel wurden Bauer und der Verfasser dieser Zeilen als „Israel-Hasser“ und „Judenfeinde“ abgekanzelt. Der wohl gezielte Angriff richtete sich neben den beiden parteilosen Autoren natürlich vor allem gegen die Linkspartei. Nach der „antideutschen“ Weltanschauung sind Linke die schlimmsten Antisemiten, denn wer den Kapitalismus kritisiert muss natürlich auch etwas gegen Juden haben, so die „antideutsche“ Logik. (Dass in dieser Behauptung schon selbst ein antisemitisches Ressentiment steckt, merken diese Leute offenbar gar nicht.) Die Linkspartei verhielt sich gegenüber den beiden Autoren aber wenig solidarisch, sie stellte sich nicht hinter sie und distanzierte sich erst nach Wochen von den BILD-Angriffen – bis heute aber nicht öffentlich.

 Ich selbst habe mir sofort einen Rechtsanwalt genommen, der gegen den BILD-Artikel beim Hamburger Mediengericht eine einstweilige Verfügung zu erwirken versuchte, was aber scheiterte, weil die Hamburger Richter der Ansicht waren, dass die Hetzworte „Israel-Hasser“ und „Judenfeinde“ (welch schlimmere Beleidigung kann es nach dem Holocaust für einen Deutschen geben!) durch die Meinungsfreiheit gedeckt seien.

Man ist es von Leuten gewohnt, die keinen Begriff von Antisemitismus und Nationalsozialismus haben, die BILD mit dem Stürmer gleichzusetzen. Lustigerweise ist ihm aber bereits hier ein Fauxpas unterlaufen, der deutlich macht, dass ihm die Kritik des Aktionsbündnisses gegen Wutbürger, die er so tapfer zu ignorieren trachtet, auf den Magen geschlagen ist. Denn in einer Polemik gegen eine Protestaktion, die von Strohmeyer und Konsorten anlässlich eines Israel-Informationstag in Bremer Schulen durchgeführt wurde, hieß es an dieser Stelle, Strohmeyer und Co. hätten Hetze „im sogenannten Stürmer-Stil“ betrieben. Bei Strohmeyer, der zu Polemik gänzlich unfähig ist und der sich über diesen Satz ausführlich in einem offenen Brief an Ralf Giordano ausgeweint hatte, handelt es sich um ungefilterte Wut darüber, dass es tatsächlich Menschen gibt, die seinen heroischen Kampf für den gerechten Frieden als antisemitische Hetze benennen. Einspruch duldet er nicht, und so schlägt er um sich: Mit juristischen Mitteln oder mit Nazi-Vergleichen. Man muss von Psychoanalyse nichts verstehen, um sich auszumalen, wozu so einer fähig wäre, wenn er tatsächlich über Macht verfügte.

Um sich selbst als verfolgt darzustellen und gleichzeitig weiter gegen Israel hetzen zu können, muss zunächst die Wahrheit geopfert werden. Dass es im Nahen Osten tatsächlich, seit der Staatsgründung und dem folgenden Krieg, darum geht, ob Israel als jüdischer Staat existieren kann, kommt als Argument der Gegner nicht vor. Es wird so getan, als wollten die Kritiker des Antisemitismus den Linken ihr Spielzeug wegnehmen. Die Lüge, es habe keinerlei innerlinke Auseinandersetzung über die linke Basis der faschistischen Massenmobilisierung, linken Antisemitismus und daraus folgende Konsequenzen für die Kritik der politischen Ökonomie gegeben, ist notwendig, um jede Kritik des linken Antisemitismus für rechtsradikal zu erklären. Bei Strohmeyer geht das so:

Es ist äußerst aufschlussreich, dass keine(r) der Autoren/innen, die verbal über die Veranstaltung hergefallen sind und mit dem Antisemitismus-Vorwurf so schnell bei der Hand waren, sich im geringsten dafür interessiert hat, was Susann Witt- Stahl in ihrem Vortrag eigentlich gesagt hat. Es reicht für diese Art von Journalismus, aus dem kleinen Gerangel an der Tür einen „antisemitischen“ Skandal zu machen. Dabei lieferte die Referentin – ausgehend von den jüdischen Philosophen der Frankfurter Schule – eine brillante Analyse des Antisemitismus als eine Spielart des Rassismus bis in die Gegenwart und der Tatsache, wie der Antisemitismus-Vorwurf heute politisch-ideologisch instrumentalisiert wird. Was nun ja keineswegs heißt – um es zu wiederholen!   , dass es keinen Antisemitismus mehr gibt! Natürlich gibt es ihn und die Referentin rief ausdrücklich dazu auf, ihn zu bekämpfen.

Sie schrieb den Neokonservativen und „Antideutschen“ aber auch ins Stammbuch: „In den gegenwärtigen ideologischen Schlachten um Israel und den Antisemitismus geht es nur sekundär um den Nahostkonflikt und das Judentum, sondern beide werden vorwiegend als Instrumente und Joker benutzt, um die antikapitalistische linke Opposition zu zerschlagen Antisemitismus-Vorwürfe werden in großer Zahl und Dichte gegen antikapitalistische Linke formuliert, es werden aber kaum noch Antisemitismus-Vorwürfe gegen Nazis und andere Gruppen im rechtsradikalen Spektrum – also genuine Antisemiten – erhoben. Die können sich beruhigt zurücklehnen und weiter antisemitisch sein. Das stört kaum jemanden. Gegen linke emanzipative Bewegungen werden Antisemitismus-Vorwürfe fast schon als Universal-Waffe in Stellung gebracht. Die Urheber dieser Vorwürfe stammen zumeist aus dem neokonservativen Spektrum und der Neuen Rechten.“

Enttäuschenderweise wird die „brillante Analyse des Antisemitismus als Spielart des Rassismus“ im weiteren Text ausgespart. Die totale geistige Verwahrlosung, die nötig wäre, diesen Quatsch mit Adornos und Horkheimers „Elementen des Antisemitismus“ in Einklang zu bringen, bleibt uns erspart. Besonders widerwärtig ist aber, dass eine solche komplette Verdrehung ihrer Arbeiten, wie auch bei Strohmeyers Stichwortgeber Moshe Zuckermann, als Alibi gegen die Antisemitismusvorwürfe herhalten soll. Weil Witt-Stahl sich auf die Frankfurter Schule und Moshe Zuckermann beruft, kann sie nicht Antisemitin sein. Perfider ist Adorno selten instrumentalisiert worden. Da ist es auch nicht verwunderlich, dass die Kritik, die die Arbeiten der Frankfurter Schule an der Linken üben, gar nicht vorkommt. Vermutlich sind diese nur dort zu gebrauchen, wo sich ein Zitat anbringen lässt, im Übrigen sind sie aber Neokonservative und Neue Rechte. Der Verfolgungswahn marginalisierter Gestalten der Linken scheint keine Grenzen zu kennen, wenn sie ernsthaft glauben, dass man extra Antisemitismusvorwürfe habe erfinden müssen, um sie zu zerschlagen. Die Selektion jüdischer Passagiere in Entebbe durch deutsche Linksterroristen und der Bombenanschlag auf das jüdische Gemeindehaus durch Kunzelmann und Co. haben nie stattgefunden.

Um Antisemitismus-Vorwürfe als ideologische Waffe einsetzen zu können, muss man natürlich einige Taschenspielertricks anwenden. Witt-Stahl nannte drei: Erstens: Die Erweiterung. Dabei geht es darum, die Kriterien, die für die Definition und Kritik des Antisemitismus verwendet werden, erheblich auszuweiten und auf der anderen Seite natürlich darum, die Abgrenzungskriterien zu vermindern und die Grenzen zwischen Antisemitismus und Kritik zu verwischen. Ein Beispiel: Die Aussage, israelische Regierungen unterhalten seit 46 Jahren ein völkerrechtswidriges brutales Besatzungsregime ist nur dann antisemitisch, wenn man zugleich die israelische Regierung mit den Israelis und diese dann mit den Juden gleichsetzt und identifiziert.

Hier zeigt sich, wie wenig die Kritik des linken Antisemitismus in den Hirnen von Strohmeyer, Witt-Stahl und ihren Genossen zu bewirken imstande ist. Denn die Pauschalaussage ist und bleibt natürlich antisemitisch, wenn überhaupt nicht hinterfragt wird, wie es zur Besatzung kam und wie es vorher aussah. Dass zwischen 1948/49 und 1967 Judäa und Samaria inklusive Ostjerusalem und Tempelberg judenrein waren, ist ebenso wenig ein Skandal wie die fortgesetzte arabische Aggression gegen Israel zwischen 1948 und 1967, die überhaupt erst zum Sechs-Tage-Krieg und der Besatzung führten. De facto machen Antisemiten den Juden mit dem Adjektiv „brutal“ zum Vorwurf, dass sie sich äußerst effizient gegen ihre Vernichtung zur Wehr setzen. Und dies betrifft zunächst einmal alle Israelis, ob sie nun Netanjahu oder Zuckermann heißen, und im zweiten Schritt, wie z.B. Hassan Nasrallah betont, alle Juden, da macht der arabische Antisemit in seinem Vernichtungswahn keinen Unterschied.

Der unverschämte Vorwurf Witt-Stahls, es gehe den Gegnern ihrer antiisraelischen Umtriebe nicht um den Nahostkonflikt, sei der kategorische Imperativ „Es geht um Israel!“ entgegengehalten. Nicht um den Nahostkonflikt, sondern um die Abarbeitung der historischen Belastung und das Ausagieren antisemitischer Ressentiments geht es denen, die sich permanent an Israel abreagieren, obsessiv von allen gewaltförmigen, also „brutalen“ Staaten ausgerechnet und zielsicher den einen sich herauspicken, der als einziger ein jüdischer ist, worin der vorrangige Unterschied zu anderen Staaten besteht. Diesen zu skandalisieren, ist nicht nur Ausdruck einer antisemitischen Obsession, sondern eben auch einer wahnhaften Staatskritik, die als Ideal den organischen, aus Blut und Boden gewachsenen Volksstaat gegen das „Gebilde“ und „Besatzungsregime“ Israel in Stellung bringt.

Beim zweiten Taschenspielertrick geht es um Verknüpfungen. Antisemitismus wird an Weltanschauungen, politische Kollektive und Bewegungen rückgebunden, die man diskreditieren will. Umgekehrt wird das Judentum mit Weltanschauungen, politischen Kollektiven und Bewegungen in Verbindung gebracht, die man vor jeglicher Kritik schützen will. Das hat z.B. der neokonservative Historiker Michael Wolffsohn gemacht, indem er Juden mit Kapitalismus und Antisemitismus mit Antikapitalismus gleichgesetzt hat. Er sagte, „nur im liberalen kapitalistischen System konnten und können sich  Juden frei entfalten.“ Kommunistische Juden gibt es in Wolffsohns Vorstellungswelt offenbar nicht. Seiner Ansicht nach „sahen und sehen sich die Juden als Teil der Bourgeoisie.“ Sie würden von der Linken gehasst, weil sie der „Klassenfeind“ seien. Sein Fazit: Die Linke (inklusive die Linkspartei) ist antisemitisch. Sie muss es sein, wenn sie links sein will.“ [An dieser Stelle des Vortrags gab es lautes Gelächter.]
[…]
Der dritte Taschenspielertrick besteht aus Übertreibung und Verallgemeinerung. Er hat wie alle Ideologien die Verstellung und Verzerrung der Realität zum Ziel. Das funktioniert so, dass man Ausnahmen und marginale Erscheinungen von tatsächlich vorhandenem Antisemitismus in einem Kollektiv oder in einer politischen Bewegung als die Regel darstellt und so tut, als sei das in diesem Kollektiv oder der Bewegung vorherrschend. So schreibt etwa der „Welt“-Autor Richard Herzinger: „Judenfeindlichkeit ist strukturell in der sozialistischen Ideologiegeschichte angelegt.“ Herzingers hetzerische Botschaft lautet: Der Sozialismus ist schon antisemitisch auf die Welt gekommen.

Besonders interessant ist an dieser Stelle, wie Strohmeyer mit Adjektiven arbeitet. Wenn er die Frankfurter Schule oder Moshe Zuckermann für sich vereinnahmen will, sind sie „jüdisch“.  Der nicht minder jüdische Historiker Michael Wolffsohn, den Strohmeyer ablehnt, firmiert unter dem Adjektiv „neokonservativ“. Sein ganzes Gerede über Hetze und Diskreditierung des politischen Gegners lässt sich bereits an diesem simplen Beispiel leicht als Projektion durchschauen. Zur Frage, wieso Judentum und Kapitalismus in der Vorstellungswelt vieler Antisemiten untrennbar verknüpft sind und warum Antisemitismus mit einer personalisierten, regressiven Kapitalismuskritik zusammenfällt, haben Strohmeyer und Witt-Stahl außer schlechten Witzen nichts anzubieten, für sie existiert das Problem schon deswegen nicht, weil ihnen vulgärer Antikapitalismus mindestens so sehr am Herzen liegt wie Hetze gegen Israel.

Worin besteht nun die Verfolgung, über die Strohmeyer sich so sehr aufregt? Darin:

Die Referentin und die Veranstalter können sich durch die höchst unsachlichen und emotionalen Attacken in ihrer Sicht der Dinge nur bestätigt fühlen. Es geht der neokonservativen und „antideutschen“ Seite nicht um eine Debatte über das so wichtige Thema, sondern um die Verhinderung der Diskussion und das Aufbauen neuer Tabus, indem man droht, denunziert und Skandälchen inszeniert und so die Aufmerksamkeit vom Eigentlichen ablenkt. So gesehen – das muss man diesen Leuten zugestehen –  waren sie sehr erfolgreich, denn die völlig unkritische Mainstream-Presse ist auf ihrer Seite. Die Frau des früheren Bremer Bürgermeisters, Louise Scherf, die im Vorstand der Villa Ichon ist, hat inzwischen, wie BILD berichtet, den Veranstaltern mit Hausverbot gedroht! Genau das wollten die Antideutschen um Jan Philipp Hein erreichen. Glückwunsch!

Die schlimmste Verfolgung, die einer, der gegen Israel hetzt und mit seiner Verleugnung der vernichtungsantisemitischen Motive Israels Gegner eine Art Holocaustleugnung zweiten Grades betreibt, sich vorstellen kann, besteht darin, dass man ihm, dem aufrechten Kämpfer für Frieden und Falafel, mit Hausverbot droht!

Es wird deutlich, dass Bremen viel zu lange ein Biotop für die Antisemiten dieser Stadt war, dass man sie gern in die Linke eingemeindet und gerade an Tagen wie dem ersten Mai als Schwungmasse verwendet. Die jahrelange Friedhofsruhe, die in der Bremer Linken herrscht, muss beendet werden. Wie sonst ist zu erklären, dass der Sprecher des Bremer Landesverbandes der Partei Die Linke, Christoph Spehr, angesichts der antisemitischen Veranstaltung Dinge sagt, für die man anderswo bereits vor 20 Jahren zurücktreten hätte müssen: „Man muss über das Thema Antisemitismus in der Linken diskutieren, das fordern vor allem die jüngeren Parteimitglieder. Aber eine solche Veranstaltung ist einseitig und verharmlost das Problem.“

Herr Spehr, über Antisemitismus muss man nicht diskutieren, man muss ihn bekämpfen! Wenn Sie aber darüber diskutieren möchten, wie das zu geschehen hat, steht Ihnen das Aktionsbündnis gegen Wutbürger zur Verfügung.

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Gegendarstellung

Das Bremer Friedensforum möchte folgenden Sachhverhalt richtiggestellt sehen:

Die Veranstaltung „Antisemitismusvorwurf als ideologische Waffe“ am 9. April 2013 in der Villa Ichon wurde ausweislich der als link angebotenen Veranstaltungsankündigung vom Gesprächskreis Nahost, den Nordbremer Bürgern gegen den Krieg und der Antikapitalistischen Linken (AKL) und nicht vom Bremer Friedensforum veranstaltet.

Wir haben den Fehler im entsprechenden Text korrigiert.

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In Stahlgewittern

Stellungnahme zur antisemitischen Veranstaltung am 9. April 2013 in der Villa Ichon in Bremen

„Wie kannst Du als Sozialist nicht Antisemit sein?“ (Adolf Hitler, 1920)

Diese Frage, die eine sinnvoll verstandene Linke seit 1920 beschäftigt, wurde in Bremen am 9. April 2013 beantwortet, wenn auch in einem anderen Sinne, als mancher vielleicht denken würde. Wie Alexander der Große den gordischen Knoten nicht etwa mühsam entwirrte, sondern zerschlug, so machten sich auch die Veranstalter von Gesprächskreis Nahost, den Nordbremer Bürgern gegen den Krieg und der Antikapitalistischen Linken (AKL), Vorfeldorganisationen der Bremer Linkspartei, und ihre Referentin Susann Witt-Stahl nicht die Mühe, Gedanken zum Zusammenhang von Sozialismus und Antisemitismus beizutragen. Ganz im Sinne ihres liebsten Stichwortgebers, des „Marxisten“ Moshe Zuckermann, wird die Frage erst zur Aussage und dann in ihr Gegenteil verdreht. Wer Sozialist (bzw. Linker) ist, der ist auch kein Antisemit, so könnte man bündig zusammenfassen, was Dienstag in der Villa Ichon unter dem Titel Antisemitismusvorwurf als ideologische Waffe verhandelt wurde. Ein kurzer Blick auf die Veranstaltungsankündigung soll genügen, um zu zeigen, wie der Antisemitismus als konstitutiver Bestandteil deutscher Gesellschaftlichkeit weggelogen und zu einem Randphänomen degradiert wird, um ungestört gegen Israel, d.h. die Juden hetzen zu können.

Der moderne Antisemitismus ist eine Ideologie. Die Auswirkungen dieser Form von falschem Bewusstsein haben in dem von Deutschen begangenen Holocaust Millionen Menschen das Leben gekostet. Diese Tatsache ist unbestreitbar. Der rassistische Antisemitismus findet sich heute noch in Neonazi-Kreisen und bei anderen Rechtsradikalen. Die Entlarvung, Ächtung und Bekämpfung des Antisemitismus ist eine gesellschaftliche Notwendigkeit.

So weit, so links: Die Bösen sind immer die anderen, vor allem natürlich Neonazis und Rechtsradikale. So wird 99% der Gesellschaft ein Persilschein ausgestellt, denn mehr Neonazis und Rechtsradikale dürfte man in Bremen kaum finden (interessanterweise gibt es offenbar in der Bremer Linkspartei in genau dem Kreisverband, der die Veranstaltung mit organisiert hat, ein Mitglied mit brauner Weste). Die Brücke zwischen links und rechts, zwischen den Lagern, die sich keineswegs diametral gegenüber stehen, wie linke Antifaschisten es gerne hätten, war seit jeher der nationale bzw. „deutsche Sozialismus“ (Goebbels) mit seinen beiden zentralen ideologischen Komponenten: Spaltung des Kapitals in gute Produktions- und böse Zirkulationssphäre, in „schaffendes“ und „raffendes“ Kapital einerseits sowie die Imagination des Staates als organischer Volksstaat andererseits, also Antisemitismus und Antizionismus. Bereits Hitler konnte nur Antisemit sein, indem er zugleich Antizionist war: Das Ziel der negativen Aufhebung des Kapitalverhältnisses in die erste Natur der Volksgemeinschaft als antisemitische „Kritik“ des Kapitals setzt die Idee der Transformation von Herrschaft und Souveränität in den Volksstaat voraus. Dies kann aber bei Witt-Stahl, Strohmeyer und Konsorten schon deswegen nicht als Problem erscheinen, da sie fest in der Tradition des deutschen Sozialismus stehen.

Seit einiger Zeit allerdings wird von Neokonservativen, Neuen Rechten, aber auch von moderateren Vertretern neoliberaler Politik und von etablierten Medien behauptet, dass der Antisemitismus in der Linken und Friedensbewegung in Gestalt eines „neuen“ „strukturellen“ oder „sekundären“ Antisemitismus fortbestehe. Dieser Vorwurf stellt nicht nur jede Opposition gegenüber Israels Politik, sondern auch jede linke Kapitalismuskritik unter den Generalverdacht des Antisemitismus.

Mit ihren linken Kritikern eint sie ein fundamentales Problem: Wie soll jemand, der eine vollkommen andere Position vertritt, dies aber dezidiert mit dem Anspruch tut, Bestandteil einer irgendwie verstandenen Linken zu sein, mit den im Sinne Carl Schmitts politischen Begriffen erfasst werden? Wichtig ist dabei immer, den Gegner aus der Linken zu exkommunizieren und mit Begriffen der Feinderklärung zu überziehen: Linke oder zumindest  „richtige“ Linke können solche Leute gar nicht sein, das ist bei Witt-Stahl, Strohmeyer und Konsorten auch nicht anders als bei den Teilen der Linkspartei, die diese deutschen Sozialisten am liebsten aus der Partei und der Linken ausschließen würden. Denn links, das ist, zumindest  „unter Linken“ (Fleischhauer), also unter der großen Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung, ein Synonym für gut, ehrlich und richtig, wogegen rechts, neokonservativ oder gar ultranationalistisch (mit diesem Adjektiv werden Benjamin Netanjahu und seine Regierung von der hiesigen, natürlich neutralen Qualitätspresse in denunziatorischer Absicht gern belegt) als Synonyme für unmenschlich, unbarmherzig und asozial gelten.

Es ist natürlich blanker Unsinn, dass die Kritik des „strukturellen“ oder „sekundären“ Antisemitismus jede Kritik des Kapitalismus oder der Politik Israels unter den Generalverdacht des Antisemitismus stelle, vielmehr gilt umgekehrt: Es sind diese Begriffe, die dafür verwendet werden, in der rot-braunen Sauce des deutschen Sozialismus noch zwischen „legitimer“ und „überzogener“ Israelkritik zu unterscheiden und ein wahnhaftes, das Übel des Kapitalverhältnisses in Gestalt von Bankern, Spekulanten und letztlich im Reichtum ausmachendes Weltbild zur „verkürzten Kapitalismuskritik“, zum  „Sozialismus der dummen Weiber und blöden Kerle“ zu verniedlichen. Man sollte Gestalten wie Witt-Stahl, Strohmeyer und ihre ganzen Unterstützer_innen in der Linkspartei (zu denen zumindest indirekt alle zu zählen sind, die der Partei nicht den Rücken kehren und die „verkürzte Kapitalismuskritik“ verlängern wollen) – ohne jedes einschränkende Adjektiv und ohne Ausweichen auf einen allgemeinen -ismus – als das bezeichnen, was sie sind: Als Antisemiten.

Eine ideologiekritische Analyse ergibt, dass diese Antisemitismus-„Theorie“ unwissenschaftlich, demagogisch und antiemanzipatorisch ist. Damit versuchen die Propagandisten neoliberaler Expansion, neuer imperialistischer Kriege und des israelischen Besatzungsregimes in den palästinensischen Gebieten (inklusive permanenter Verstöße gegen das Völkerrecht), Kritiker mundtot zu machen. Der Antisemitismus-Vorwurf dient also als Instrument,  um notwendige (friedenspolitische) Debatten zu ersticken – eine Entwicklung, die demokratiefeindlich ist und totalitäre Züge trägt.

Ideologiekritik wird von Witt-Stahl und ihren Mitstreitern in der Tat betrieben, wenn auch negative. Der Antisemitismus bedarf der Projektion wie der Paranoia gleichermaßen, um sich gegen die Wirklichkeit abzudichten. Eigene Gewaltgelüste, wie sie sich im festen Bündnis mit Hamas, Hisbollah, dem iranischen Regime sowie Schlägervisagen aus den Reihen palästinensischer Vereine, die man als Saalschutz engagiert, um sich vor gesitteten Jungakademikern zu schützen, die brav abziehen, wenn man ihnen mitteilt, dass heute nur solche Menschen Einlass erhalten, die wie lupenreine Antisemiten aussehen, ausdrücken, werden auf einen ganz und gar friedfertigen Gegner projeziert. Die Panik davor,  „mundtot“ gemacht zu werden, korrespondiert nicht nur mit dem eigenen juristischen Feldzug gegen jeden Kritiker, sondern macht auch deutlich, dass bereits jeder Einwand als Verfolgung halluziniert wird. Wer die Propagandisten der neoliberalen Expansion sind, die sich die Mühe machen, eine Gruppe abgehalfterter Elendsgestalten zu verfolgen, bleibt im Dunkeln – vielleicht ja die Wall-Street-Juden oder die Agenten des Mossad. Der Einwand, diese Mächte der Finsternis würden ihr Geschäft nicht besonders effizient verrichten, wenn antisemitische Veranstaltungen in der Villa Ichon stattfinden können, ist an dieser Stelle ganz vergeblich: Wird der Gegner einerseits diffus und andererseits als finster und bedrohlich dargestellt, wird die wenige Kritik zum Stahlgewitter, der eigene Einsatz umso heroischer.

Als negativer Ideologiekritik geht es dem Antisemitismus  um regressive „Kritik“ der repressiven Egalität bürgerlicher Gesellschaften, die Marx im Kapital so beschreibt: „Als Subjekte der Zirkulation sind sie zunächst Austauschende und daß jedes in dieser Bestimmung, also in derselben Bestimmung gesetzt ist, macht grade ihre gesellschaftliche Bestimmung aus. Sie treten sich in der Tat nur als subjektivierte Tauschwerte, d. h. lebendige Äquivalente entgegen, Gleichgeltende. Als solche sind sie nicht nur gleich: es findet nicht einmal eine Verschiedenheit zwischen ihnen statt. Sie treten sich nur gegenüber als Besitzer von Tauschwerten und Tauschbedürftige, als Agenten derselben allgemeinen gleichgültigen sozialen Arbeit.“ Eine Linke aber, die von der Marx’schen Kritik nichts wissen will und sich lieber der Verschönerung von Staat, Demokratie und „sozialer Marktwirtschaft“ widmet, arbeitet einem barbarischen Kapitalismus zu, dessen „menschliches Antlitz“ die Fratze des antisemitischen Wutbürgers ist.

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